DMZ – POLITIK ¦ MM ¦ Lena Wallner ¦
Nachdem bereits die Möglichkeit geschaffen wurde, dass Vertriebene aus der Ukraine Anspruch auf Familienbeihilfe erhalten, wird dies nun auch für das Kinderbetreuungsgeld ermöglicht. Der von ÖVP und Grüne eingebrachte Initiativantrag auf Änderung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes wurde heute vom Nationalrat mit breiter Mehrheit beschlossen.
Ebenfalls mehrheitlich angenommen wurden Erleichterungen beim Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte. Anträge für sämtliche Säulen der Rot-Weiß-Rot-Karte können ab sofort auch im Inland gestellt werden.
Mehrere Rechnungshofberichte wurden einstimmig angenommen. Diese thematisierten unter anderem die COVID-19-Pandemie, die Ausbildung von Ärzt:innen sowie mehrere Finanzthemen.
Am Ende der Nationalratssitzung standen mehrere Fristsetzungsanträge zur Abstimmung. Jener der Regierungsfraktionen, dem Justizausschuss eine Frist bis 23.9.2022 zur Behandlung ihres Antrags über Sanktionsmaßnahmen im öffentlichen Auftragswesen zu setzen, wurde angenommen. Die Anträge der FPÖ blieben in der Minderheit. Darin forderten die Freiheitlichen den Abschluss der Ausschussberatungen über ihre Anträge, das COVID-19-Maßnahmengesetz außer Kraft zu setzen, die Beziehungen zu Brasilien zu intensivieren, Menschen vor Wolfsangriffen zu schützen und den Klimabonus ausschließlich an österreichische Staatsbürger:innen auszuzahlen.
Zugang zu Familienleistungen für geflüchtete Ukrainer:innen
Zugang zu Familienleistungen bekommen vor dem Krieg geflüchtete Ukrainer:innen durch die Novelle zum Kinderbetreuungsgeldgesetz, sofern sie die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Als "Vertriebene" im Sinne des Asylgesetzes und der Vertriebenen-Verordnung haben die Betroffenen ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht in Österreich bis vorerst 3. März 2023. Bereits im Juli wurde beschlossen, ihnen Familienbeihilfe zu gewähren. Auch die Regelung zum Kinderbetreuungsgeld soll rückwirkend ab 12. März gelten und mit dem Tag der Beendigung des Aufenthaltsrechtes, spätestens jedoch am 4. März 2024, außer Kraft treten.
"Österreich ist sich seiner humanitären Verantwortung bewusst und zeigt sich solidarisch", betonte Agnes Totter (ÖVP). Gerade vertriebene Kinder müssten besonders geschützt und unterstützt werden. "Mit dem Beschluss nehmen wir den Menschen wenigstens die materiellen Sorgen in unserem Land", so Totters Fraktionskollege Norbert Sieber. Dem schloss sich Grünen-Mandatarin Barbara Neßler an. Von den fast 80.000 Ukrainer:innen in Österreich sei der Großteil Frauen und Kinder. Sie sei froh, dass man sich auf eine Lösung im Sinne aller ukrainischen Kinder einigen konnte.
Wir ziehen heute eine Maßnahme nach, die wir bereits seit Mai diskutieren", unterstrich Michael Bernhard (NEOS). Der NEOS-Abgeordnete sprach sich für schnelleres Handeln aus. Da der Krieg noch länger dauern könne, brauche es "die volle Gleichstellung von Ukrainer:innen in unserer Gesellschaft".
Für Petra Wimmer (SPÖ) ist es "logisch", dass vertriebene Ukrainer:innen Familienleistungen erhalten sollen. Die SPÖ habe seit Monaten darauf gedrängt. Grundsätzlich gebe es aber "viele Baustellen" beim Kinderbetreuungsgeld. Neben dem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld sei es auch wichtig, genügend Kinderbetreuungsplätze zu schaffen, ergänzte Eva Maria Holzleitner (SPÖ). Ihr dazu eingebrachter Entschließungsantrag, der einen Rechtsanspruch auf einen ganztägigen und kostenfreien Kinderbildungsplatz ab dem ersten Lebensjahr fordert, blieb jedoch in der Minderheit.
Antragstellung für Rot-Weiß-Rot-Karte im Inland
Ein weiterer Nationalratsbeschluss, zu welchem ÖVP und Grüne einen Abänderungsantrag einbrachten, hat eine Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zum Inhalt und zielt auf weitere Erleichterungen beim Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte ab. Zur Förderung qualifizierter Migration werden Drittstaatsangehörige – mit oder ohne Visum – berechtigt, auch im Inland einen Antrag zu stellen, sofern die Einreise nach Österreich rechtmäßig erfolgt ist. Dabei geht es neben besonders Hochqualifizierten auch um Fachkräfte in Mangelberufen, Schlüsselkräfte, Stammsaisonniers und Studienabsolvent:innen.
Obwohl es seitens ihrer Fraktion Zustimmung gebe, seien Asylwerber:innen in Ausbildung von der Neuregelung ausgeschlossen, kritisierte Sabine Schatz (SPÖ). Die Regierungsparteien hätten keine Möglichkeit geschaffen, dass diese im Land bleiben könnten.
Laut Yannick Shetty (NEOS) ist der Fachkräftemangel primär ein Lehrlingsmangel. Der NEOS-Vorschlag einer "Rot-Weiß-Rot-Karte-Lehre" schaffe Perspektiven für junge Menschen aus dem Ausland. Die ÖVP blockiere aber diesen Vorschlag.
Es handle sich um eine Erleichterung und Verwaltungsvereinfachung bei der Antragstellung zur Rot-Weiß-Rot-Karte im Inland, betonte Christian Stocker (ÖVP). Dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften werde dadurch im begrenzten Umfang Abhilfe geschaffen.
Barbara Neßler (Grüne) begrüßte, dass man "unnötige und unmenschliche Hürden beseitigen konnte". In den letzten Monaten habe man die "größte Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte" umgesetzt. Auch für Neßler ist es in Bezug auf den Fachkräftemangel "humanitär und ökonomisch kontraproduktiv", dass Asylwerber:innen nicht am Arbeitsmarkt teilnehmen können.
Rechnungshofberichte zu COVID-19-Pandemie geben Empfehlungen für bessere Kommunikation und Zusammenarbeit der Behörden
Am Ende der heutigen Nationalratssitzung setzten sich die Abgeordneten mit einer Reihe von Rechnungshofberichten auseinander, die alle einstimmig zur Kenntnis genommen wurden. So standen mehrere Berichte zur COVID-19-Pandemie auf der Tagesordnung. Im Gesundheitsbereich setzten sich die Mandatar:innen mit den Empfehlungen des Rechnungshofs zur Rolle von Gesundheitsdaten und zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Gesundheitsbehörden bei der Pandemiebewältigung auseinander. Die Abgeordneten debattierten zwei Berichte zu den COVID-19–Hilfsmaßnahmen (März 2020 bis September 2020, Oktober 2020 bis Juni 2021), Analysen zur Förderabwicklung im Rahmen des Härtefallfonds sowie Optimierungsvorschläge bei der Ausbildung von Ärzt:innen und der Arzneimittelbeschaffung. Ein im Laufe der Debatte eingebrachter FPÖ-Entschließungsantrag mit der Forderung nach Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum fand keine Mehrheit.
Zudem befassten sich die Mandatar:innen mit dem Tätigkeitsbericht 2021 des Rechnungshofes, mit Unternehmen des Bundes sowie mit der Oesterreichischen Entwicklungsbank, mit der Bankenabwicklung in Österreich, und mit der Bundespensionskasse. Außerdem bewerteten die Rechnungshofprüfer:innen Follow-up-Überprüfungen den Stand der Umsetzung seiner Empfehlungen zur Erhebung der Verbrauchsteuern, Löschung von Abgabenrückständen, Genderaspekten im Einkommensteuerrecht und zu IT-Projekten. Weiters hatte der Rechnungshof die Haushaltsrücklagen des Bundes, die Umsatzsteuer bei internationalen digitalen B2C-Dienstleistungen, Kapitalertragsteuer-Erstattungen nach Dividendenausschüttungen sowie den EU-Finanzbericht 2017 und 2018, unter die Lupe genommen. Ein im Zuge der Debatte über den EU-Finanzbericht von der FPÖ eingebrachter Entschließungsantrag mit der Forderung nach Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips auf europäischer Ebene und der Souveränität der Mitgliedstaaten blieb in der Minderheit.
Herausgeber / Quelle: Parlamentskorrespondenz Österreich ¦
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