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Wir dürfen in versagende Märkte nicht immer mehr Geld pumpen

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Achtung: Polemik!

Die letzte Bundesligapartie Putin-Scholz endete leider 2:0. Während der Kanzler eine 65-Milliarden Gießkanne verkündete, die letztlich noch viel mehr Geld in die Energiemärkte pumpen wird, verkündete der russische Kriegsführer im Rahmen des von ihm (!!) bestens vorbereiteten Wirtschaftskriegs eine erneute Störung der Gas-Belieferung.

 

Prompt eskalieren an den Energiebörsen die Preise, in der Spitze um ein Drittel – in wenigen Stunden. Dabei hat sich an der Liefersituation natürlich zunächst mal nichts geändert und eine Überraschung ist das auch nicht. Aber es funktioniert jedes einzelne – sorry – verschissene Mal, dass Putins Gazprom irgendwo eine lockere Schraube findet und unsere Energiepreise im zweistelligen Prozentbereich eskalieren. JEDES MAL!!

Der muss sich im Kreml vermutlich an seinem großen Tisch festhalten, um vor Lachen nicht zu kollabieren. Während dessen propagieren – noch mal sorry – von feuchten Börsenträumen nicht los kommende Ökonomen bei uns gar, das sei eine vollkommen normale Marktreaktion bei Knappheit.

 

Ich habe Kapitalmarkttheorie studiert, finde Börsen ganz faszinierend und die können auch wunderbar funktionieren. Sie können aber auch ganz wunderbar versagen. Genau das passiert gerade – JEDES MAL!

Ich hoffe sehr, dass die Regierungen in Europa anders als in der Finanzkrise in diese versagenden Märkte eingreifen und die Mutter aller Ursachen endlich angehen: Diese krankhaft eskalierenden Preise.

Statt dessen nur Umverteilungsmechanismen, die letztlich sogar dazu führen, in diese versagenden Märkte noch mehr Geld zu pumpen. Das treibt diese Preise nur noch weiter und es erzeugt Gewinner, die außerhalb unserer Volkswirtschaft agieren. Auch Russland leider, aber gerade aufgrund deren zurückgehender Lieferungen füttern unsere Milliardenpakete inzwischen ganz andere Taschen.

 

Das ist der ganz große Unterschied zur Finanzkrise und zu Corona. Auch da ist der Politik außer Gießkanne nichts eingefallen, was bereits zu Kollateralschäden beispielsweise bei der Einkommens- und Vermögensverteilung führte, vor allem aber zuerst Vermögenspreisinflation und zuletzt Verbraucherpreisinflation auslöste. Es ist nämlich nicht ursächlich die inzwischen hilflose EZB, auf die fleißig geschimpft wird, sondern diese Gießkannen-Politik der Regierungen.

 

So manche Ökonomen reden derzeit vom „Markt“ und angemessenen „Knappheitssignalen“. Diese Preise müssten ausgehalten werden, bis „der Markt“ die Knappheit wieder behebt. Das sei Lehrbuch-Ökonomie. Nun, in den Lehrbüchern, die ich verwende, steht auch so einiges über Marktversagen und da steht nicht, dass man in versagende Märkte gar noch mehr Geld kippen sollte!

 

Mit den letzten Gießkannen hat Deutschland wenigstens den eigenen Garten bewässert. Mit dieser bewirtschaften wir nun welche ganz woanders. Das muss ganz dringend aufhören!

 

Und nein, ich bin weder ein linker Ökonom, noch ein Putintroll, der unserer Regierung nur Untergangskritik entgegen bringt. Es ist ganz im Gegenteil auch ein Zeichen für die politischen Folgen, die als Schaden hinzu kommen, dass meine Kommentare in entsprechenden Foren teilweise verbreitet werden.

 

Scholz, Lindner und auch Habeck müssen dringend die strategische und die systemische Ebene erreichen. Es wird methodisch die alte Klientel- und Beruhigungspolitik gemacht, die systemische wird gescheut. Das hat bereits in den letzten Krisen suboptimal funktioniert, vor allem muss man leider feststellen: Wir sind diese Krisen genau deshalb nie los geworden.

 

Wir müssen auch erkennen: Putin hat diese systemischen Schwächen erkannt, er hat sie sogar ausgebaut und er nutzt das ganz gezielt. Er ist Teil des Systemfehlers und deshalb ist es eben KEINE Lösung, NS II zu öffnen. Genauso ist es KEINE Lösung, diese Energiebörsen so weiter laufen zu lassen und nur dahinter irgendwie umzuverteilen. Die jetzt eskalierenden Gewinne wegen der Preistreiberei sind zu verhindern und nicht zu besteuern. Das System muss gestoppt werden, ein Casino ändert man nicht, indem man darin etwas besteuert, es muss geschlossen werden. Diese Energiebörsen mit diesen Preismechanismen und allen Folgen – Zwischenhandelsstrukturen, Finanzinvestoren etc. – sind für das, was die wichtigste Funktion von Börsen ist, nämlich den Ausgleich von Angebot und Nachfrage gerade bei schwankender Balance zu leisten, eben genau GAR NICHT geeignet. Dieses System ist für seine wichtigste Daseinsberechtigung nicht konzipiert, es leistet kein Re-Balancing von Störungen bei Angebot und Nachfrage, es erzeugt genau das Gegenteil, nämlich die Eskalation von Störungen.

 

Diese Regierung muss tiefer graben, alle europäischen müssen das tun, die Kommission ebenfalls. Sonst wird Europa mindestens ein schweres Jahrzehnt ohne jede Gestaltungskraft vor sich haben.

Das ist übrigens der tiefere Grund, weshalb europäische Aktienbörsen gegenüber den Weltbörsen seit längerem verlieren und diesen Trend nun beschleunigen. Es gibt nämlich Börsen, die ganz gut funktionieren.

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