DMZ – ARBEITSWELT ¦ Markus Golla ¦
Forscherinnen und Forscher der Universität zu Lübeck haben im Rahmen einer Studie herausfinden können, dass zwischen der Hörfähigkeit und der eigenen Persönlichkeit ein Zusammenhang
besteht. Wie gut man mit dem eigenen Gehör und mit störenden Hintergrundgeräuschen zurechtkommt, hängt demnach damit zusammen, ob man ein eher sorgenvoller Mensch ist. Die Psychologinnen und
Psychologen aus der Arbeitsgruppe Auditive Kognition konnten diese Forschungsergebnisse im Fachblatt “Royal Society Open Science” veröffentlichen.
Schon lange ist bekannt, dass unsere Persönlichkeit mit der rein subjektiven Einschätzung unseres Hörens zusammenhängt. Personen, die sich laut eigenen Angaben oft Sorgen machen, tendieren auch
dazu, die folgende Frage aus einem Test der Lärmtoleranz zu bejahen: „Es ärgert mich, wenn meine Nachbarn laut werden.“ Unklar war bislang allerdings, ob die Persönlichkeit auch mit der Leistung
in etablierten Hör-Tests zusammenhängt, welche in der audiologischen Praxis durchgeführt werden – zum Beispiel bei der Anpassung neuer Hörgeräte.
In einer großen Online-Studie absolvierten mehr als 1.000 Freiwillige einen Persönlichkeitstest und mehrere Tests zur Messung der subjektiv erlebten und der objektiven Hör-Leistung. Die
Forschenden konzentrierten sich bei der Auswertung der Daten vor allem auf die Persönlichkeitseigenschaft der emotionalen Labilität. Alle Menschen zeigen mehr oder weniger hohe Ausprägungen auf
dieser Dimension der Persönlichkeit. Menschen mit relativ hoher Ausprägung neigen dazu, sich mehr Sorgen zu machen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Persönlichkeit ein wichtiger Baustein ist, um Diskrepanzen der subjektiven und objektiven Hör-Leistung zu verstehen“, erklärt Studienleiter Dr. Malte Wöstmann
die Ergebnisse. Um das subjektive Hörvermögen zu messen, wurden die Freiwilligen zunächst gebeten, die Lautstärke eines störenden Murmelns im Hintergrund so einzustellen, dass es gerade noch
tolerierbar war. Personen mit höherer emotionaler Labilität wählten hier eine geringere Hintergrundlautstärke aus.
Überraschenderweise jedoch zeigten dieselben Personen mit höherer emotionaler Labilität eine vergleichsweise bessere Leistung in einer anderen schwierigen Höraufgabe, dem Berichten von
Zahlwörtern im Rauschen. Auch war das objektive Hörvermögen dieser e-her sorgenvollen Probandinnen und Probanden sogar leicht besser, als es für demographisch völlig vergleichbare nur weniger
sorgenvolle Teilnehmende der Fall war.
Dr. Hendrik Husstedt ist Geschäftsführer des Deutschen Hörgeräte Instituts (DHI) in Lübeck. Er betont die Relevanz dieser Studie für die audiologische Praxis: „Für eine gute Anpassung von
Hörsystemen müssen unzählige individuelle Randbedingungen der Hör-beeinträchtigten berücksichtigt werden. Die neuen Erkenntnisse der Studie sind daher sehr wichtig, um den Einfluss der
Persönlichkeit besser berücksichtigen zu können. Dadurch sind die Ergebnisse nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Praxis von großem Interesse.“
Originalpublikation:
Wöstmann, M., Erb, J., Kreitewolf, J., & Obleser, J. (2021). Personality captures dissociations of subjective versus objective hearing in noise. Royal
Society Open Science, 8: 210881, https://doi.org/10.1098/rsos.210881
Link zur Studie: https://doi.org/10.1098/rsos.210881
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