DMZ – Natalie Barth ¦
KOLUMNE
„Die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu können.“
(Noam Chomsky - Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology, 1928)
Bösartige Manipulation gibt es nicht nur in Sekten. Ganz im Gegenteil: Bösartige Manipulation findet überall dort statt, wo Menschen miteinander in Beziehung stehen.
Warum ich als Sektenaussteigerin inzwischen nicht mehr nur über Zeugen Jehovas (eine problematische religiöse Gruppe, in die ich hineingeboren wurde) spreche, wenn ich über Ausstieg aus Sekten rede und schreibe? Weil es für mich nicht mehr wichtig ist, aus WELCHER manipulativen missbrauchenden religiösen Gruppe ich da ausgestiegen bin.
Viel interessanter ist für mich, wer aus ganz anderen Gemeinschaften oder Verhältnissen noch alles von den Folgen betroffen ist, was die Gemeinsamkeiten sind und warum. Betroffen sind bei weitem nicht nur Aussteiger von Zeugen Jehovas sondern Aussteiger aus sämtlichen anderen fundamentalistischen Gruppen. Sie haben fast alle mit den gleichen psychischen Folgen zu kämpfen und wurden auf ähnliche Art und Weise manipuliert.
Es hat immer einen Grund, warum Menschen sich zu sektenartigen Gruppen hingezogen fühlen. Ihre Bedürfnisse werden woanders nicht gestillt. Und sie werden manipuliert.
Um eine Aufarbeitung dessen, was er in einer Sekte erlebt hat, wird keiner herum kommen. Aufarbeitung heißt für mich heute nicht nur, dass ich
erkenne, warum die Gemeinschaft, in der ich steckte, so gefährlich und falsch war und die Lehren und das Verhalten Revue passieren lasse. Ja, okay, das ist vor allem am Anfang wichtig. Aber,
Aufarbeitung heisst für mich auch, dass ich mich in erster Linie darum kümmere, dass es mir selbst heute gut geht und ich einen gesunden Umgang mit meiner Vergangenheit – für die ich nichts kann
– finde. Und dass ich vor allem Stolz darauf bin, diesen schwierigen Weg gegangen zu sein, statt mich aus Scham in einem Kellerwinkel zu verstecken.
Problematische Gruppen verbieten?
Was passiert, wenn Gruppen wie die Zeugen Jehovas verboten werden? Ich denke, dann werden sich die (potentiellen) Mitglieder eben was anderes suchen. Es hat ja immer einen Grund, warum Menschen sich zu solchen Gruppen hingezogen fühlen. Ihre Bedürfnisse werden woanders nicht gestillt. Und sie werden manipuliert und merken es nicht. Weil jemand anders ganz genau weiß, WIE man manipuliert. Und diese Menschen, die wissen, wie man manipuliert und andere für ihre Zwecke ausnutzen, findet man überall dort, wo Menschen miteinander in Beziehung stehen: Im Job, in der Therapie, in religiösen oder esoterischen Gruppen, in der Politik, in den Medien, in Interessengemeinschaften jeglicher Art, in der Familie, in Liebesbeziehungen, in Freundschaften usw. Was bringt es also, 1. sich ausschliesslich auf die Zeugen Jehovas zu konzentrieren oder 2. vor irgendwelchen anderen potentiell gefährlichen Gruppierungen zu warnen und sie namentlich aufzuzählen?
Meine Gedanken dazu: Warum nicht Menschen dazu befähigen, SELBST Verantwortung zu übernehmen, statt ihnen alles vorgekaut zu servieren? Und warum nicht in erster Linie helfen, Manipulation generell zu erkennen und zu lernen, wie man die eigenen Bedürfnisse wahrnimmt, ernst nimmt und befriedigt? Das ist im Übrigen für ALLE Menschen wichtig, nicht nur für Sektenaussteiger. Fataler Fehler, wenn Menschen, die niemals in solchen Strukturen drinsteckten oder sich bereits seit langem aus solch einer befreit haben, glauben, sie wären gegen bösartige Manipulation gefeit. Gerade dann, wenn man das glaubt, ist man ein besonders leichtes Opfer.
Warum nicht Menschen dazu befähigen, SELBST Verantwortung zu übernehmen, statt ihnen alles vorgekaut zu servieren?
Techniken der Manipulation
Je enger die Beziehung, umso grösser das Potenzial der Gefahr für Manipulation. Gerade weil Beziehungen, wie sie in Familien, Freundschaften und der Arbeit zu finden sind, ein gewisses Mass an Verletzlichkeit mit sich bringen, sind sie der perfekte Nährboden für Manipulation.
Diejenigen, die Methoden der psychologischen Manipulation verwenden, sind genau aus dieser Gruppe und aus der nahen Umgebung. Sie erschaffen in uns den Eindruck, ihnen vertrauen zu können. In dieser Zeit bauen sie ein profundes Verständnis für unsere Schwachstellen und Sorgen auf. Sie hören sich unsere Erzählungen über unser Leben und unsere Wünsche an und verwenden all dies bei passender Gelegenheit gegen uns. Diese Art des Missbrauchs entwickelt sich sehr langsam, über Wochen, Monate oder Jahre. Wir werden immer wieder getestet und erst wenn wir «reif» sind, werden sie zuschlagen.
Heute stelle ich Dir noch ein Buch vor, das mich ganz besonders stolz macht! Denn es stammt von meinem Lieblingsmenschen, meinem Mann. Das Buch verrät 16 der erfolgreichsten Methoden der Manipulation. Es beschreibt exakt, wie sie funktionieren, woran Du sie erkennen kannst und welche Möglichkeiten es gibt, Dich zu schützen. Und es enthält zahlreiche Beispiele aus dem echten Leben. Es ist ein Muss für jeden, der sich schützen möchte. Denn allein im DACH Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) gibt es über 4 Millionen Menschen, die bereit sind auch Dich über die Klinge springen zu lassen und Deine Existenz zu zerstören – nur für Macht, Einfluss, Geld und Sex! Oder einfach nur für das Gefühl, Dich leiden zu sehen.
Das glaubst Du nicht? Du denkst, das wäre übertrieben? Ist es nicht. Wir wollen nur leider oft nicht hinsehen, lieber blind durch die Welt laufen oder in jedem Fall an das Gute glauben. Oder wir sind zu überzeugt von uns selbst und denken, wir wären definitiv gewappnet. Manipulation macht allerdings vor keinem Halt.
Mach Dir selbst ein Bild davon! Das Buch ist seit 5. Juli 2022 erhältlich in allen gängigen Bookstores. Z.B. hier. https://amzn.to/3P8sOTU
Natalie Barth schreibt für den Blog www.nataliesdiary.com, auf dem es viele Artikel zu allen möglichen Themen auch zum Anhören gibt. Ausserdem betreibt sie den Aufklärungskanal auf YouTube «Natalie Barth – Die Sekte und das Leben danach».
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