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Die Heilung misslungener Gesetze ist nicht Aufgabe des Kartellamts

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦                                 

KOMMENTAR

 

Die vielen politischen Forderungen nach Weitergabe des sogenannten „Tankrabatts“ an die Verbraucher sind angesichts der gesetzlichen Machart blanker Hohn für die Öffentlichkeit. Dass sich das Kartellamt dabei kommunikativ einspannen lässt, ist sehr bedauerlich. Dessen Präsident redet von energischen Prüfungen und harten Fragen, macht aber wenigstens den Kern der Sache klar: Es gibt keine Verpflichtung zur Weitergabe der Steuersenkung an die Verbraucher. Punkt.

Der „Tankrabatt“ ist rein kausal eine Steuerentlastung der Mineralölindustrie. Das ist so nun mal gestaltet worden und vollmundige politische Forderungen ändern daran gar nichts.

 

Grundsätzlich sind in unserem System die Preise ausdrücklich freie Vereinbarung zwischen Anbietern und Nachfragern. Es gibt nur wenige Ausnahmen, bei denen der Staat unmittelbar in die Preisgestaltung eingreift. Im Gesundheits- und im Rechtswesen gibt es beispielsweise entsprechende Gebührenverordnungen, die Preise für bestimmte Leistungen festlegen.

 

Die Idee ist, dass der Wettbewerb zu einer fairen Preisgestaltung und zugleich einer fortschrittlichen Versorgung der Verbraucher führt. Daher ist Kern des Rechtssystems der Erhalt des freien Wettbewerbs, dessen Bestandteil gerade die freie Preisgestaltung ist. Das klappt in vielen Märkten sehr gut, aber längst nicht immer und überall.

 

Bei den Heizöl- und Treibstoffpreisen wird schon lange diskutiert, ob diese reguliert werden sollten. Hier hat sich ein Oligopol weniger dominierender Anbieter entwickelt und es besteht schon lange der Verdacht, dass die Preise abgesprochen werden. Das wäre in der Tat kein Wettbewerb mehr und daher verboten – und genau das ist die einzige echte Handhabe des Kartellamts.

 

Experten gehen davon aus, dass die Treibstoffpreise inzwischen durch Analysesoftware automatisch so gesetzt werden, dass die Zahlungsbereitschaft der Kunden optimal ausgeschöpft wird. Das wäre an sich noch nicht verboten, da es sich nicht um personalisierte Preise, also eine Ungleichbehandlung handelt. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass in diese Analyse der Vergleich von Konkurrenzpreisen einfließt und vor allem, dass diese Systeme symmetrisch die Durchsetzung möglichst hoher Preise verfolgen.

 

Vermutlich würden Juristen bereits heftige Kopfschmerzen bekommen, wenn zu beurteilen wäre, ob solche symmetrischen Software-Strategien nicht bereits eine illegale Preisabsprache darstellen. Noch komplizierter wäre es vermutlich, die Funktionsweise dieser Algorithmen nachzuweisen.

 

Dass sich hier in Hinterzimmern Herren in Nadelstreifen treffen, um sich gegenseitig Preise zuzurufen, darf man jedenfalls in diesem Jahrtausend kaum noch vermuten. Die Bilanzen der Mineralölindustrie zeigen leider vollkommen unstrittig, dass es ihnen immer wieder gelingt, bei Preissteigerungen der Beschaffungsmärkte ihre Margen auszudehnen. Das läuft so synchron, dass es Mechanismen geben muss, die das ermöglichen. Mit den Mitteln des Kartellamts dürfte da aber kaum etwas beweisbar sein.

Darüber sind schon viele Lehrbücher geschrieben worden, die Situation ist also bestens bekannt. Die Steuerentlastung dieser Industrie war schlicht falsch, was jetzt passiert, passiert mit Ansage. In einigen europäischen Ländern wurde daher parallel eine Sondersteuer auf Extragewinne eingeführt. Auch hier wussten die Gesetzgeber, was passieren wird und haben wenigstens ein kleines Gegengift geschaffen.

Das muss auch unserem Gesetzgeber bekannt gewesen sein. Das politische Geheul um die Weitergabe ist eigentlich nur peinlicher Populismus. Das ist vor allem deshalb sehr bedenklich, weil wir feststellen müssen, dass viel mehr Unternehmen eine erstaunliche Preissetzungsmacht besitzen. Es gibt viele Ursachen für die Inflation, die Herstellungs- und Beschaffungskosten in zahlreichen Bereichen sind tatsächlich gestiegen. Wie beim Ölpreis versuchen aber viele Unternehmen, bei den Preisanpassungen zugleich die eigene Marge auszuweiten – mit Erfolg!

 

Auch das ist legal, aber es wird zu einem enormen sozialen Problem und damit sehr rasch übrigens zu einem ökonomischen. Die breite Inflation ist ein noch viel komplexeres und größeres Problem als die Spritpreise. Daher ist es kein gutes Omen, wie dilettantisch unser Gesetzgeber damit umgeht.

Bei der Inflation brauchen wir mehr als populistische Forderungen oder Hinweise auf die EZB.

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