DMZ – WISSEN ¦ Dr. med. Urs Britschgi ¦
GASTKOMMENTAR
«Wenn sich alle impfen lassen, ist die Pandemie innert 2 Monaten vorbei»; dieser Satz ist nicht von mir, sondern von Task-Force-Chef Martin Ackermann. Aber was das wichtigste ist – es stimmt.
Bei Ungeimpften kann 1 Covid-Kranker 100 andere Ungeschützte anstecken und diese 100 wiederum 100 weitere etc. Bei einer Impfung die 95% Schutz bietet kann demnach ein Covid-Kranker nur fünf weitere Personen anstecken, wenn diese geimpft sind. Dass diese ünf wiederum auf andere fünf geimpfte treffen deren Impfschutz nicht ausreicht ist wiederum 1:20. Ich weiss, dass dies mathematisch nicht ganz richtig ist; aber angenähert stimmt es in etwa.
Bei einer 1:1 Ansteckung heisst das nach drei Ansteckungszyklen habe ich bei Ungeimpften (100x100x100) theoretisch 1 Million Kranke, wohingegen sich bei Geimpften nur (5x5x5) 125 Kranke habe.
Impfgegner werden nun argumentieren, dass die Ansteckungsrate ja nie 100% sei und dementsprechend die Zahl von 1 Million Kranke viel zu hoch sei. Das stimmt natürlich. Aber die Relation ist bei Geimpften um genau denselben Faktor tiefer. Das heisst das Verhältnis bleibt gleich 125:1 Million Viren können nicht von allein mutieren. Aber bei jeder Ansteckung kann sich ein Virus verändern und schlussendlich zu einer Mutation werden, die gefährlicher, ansteckender oder immun gegen die Impfung sein kann.
Also mit jeder Impfung wird eine Ansteckung und entsprechend eine mögliche Mutation verhindert. Ungeimpfte haben also nicht nur eine Verantwortung gegenüber sich selbst sondern auch gegenüber der Gesellschaft. Dieser Verantwortung können sie ausser durch Impfen nur durch Abstandhalten, Maskentragen etc. wahrnehmen.
Aber warum lassen sich nicht mehr Leute impfen.
Misstrauen gegenüber Impfungen gibt es nicht erst seit der Corona-Pandemie.
Die Angst vor dem Impfen reicht lange zurück.
Schon der erste Impfstoff im 18. Jahrhundert gegen die Pocken stiess auf grosse Skepsis.
1796: Erste Impfung, erste Ängste
Über Jahrhunderte waren die Pocken eine der schlimmsten Viruserkrankungen. An ihnen starben Millionen Menschen. 1796 kam der englische Arzt Edward Jenner auf die Idee, ein Kind mit den für Menschen harmlosen Kuhpockenviren zu infizieren und so die Immunabwehr anzuregen, nachdem er beobachtet hatte, dass Melkerinnen selten an Pocken erkrankten.
Das Verfahren – von Jenner als «vaccinus» (von lateinisch «Kuh») bezeichnet – war erfolgreich, löste aber von Anfang an Skepsis und Angst aus. Seit 1980 gelten die Pocken dank der Impfung als ausgerottet.
1853: Erste Impfpflicht
Ab 1853 mussten alle Kinder in Grossbritannien gegen Pocken geimpft werden. Diese erste Impfpflicht der Geschichte stiess auf heftigen Widerstand, obwohl im 18. Jahrhundert jeder zehnte Brite an Pocken stirbt, in den Städten, wo man eng beisammen lebt, gar jeder Fünfte!.
Die Gegner lehnten die Impfung aus religiösen Gründen ab, sahen ihre individuelle Freiheit verletzt oder hatten Bedenken, sich eine tierische Substanz injizieren zu lassen.
1898 wurde eine «Gewissensklausel» eingeführt, die Ausnahmen von der Impfpflicht erlaubte.
1885: Tollwutimpfung
Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte der französische Mikrobiologe Louis Pasteur einen Impfstoff gegen Tollwut mit einem abgeschwächten Virusstamm. Sein Verfahren löste Misstrauen aus: Pasteur wurde beschuldigt, mit der Herstellung einer «Labortollwut» Profit machen zu wollen.
1920er-Jahre: Viele neue Impfstoffe
In den 1920er-Jahren machte die Forschung grosse Fortschritte, mehrere neue Impfstoffe kamen auf den Markt: 1921 gegen Tuberkulose, 1923 gegen Diphtherie, 1926 gegen Tetanus und 1926 gegen Keuchhusten.
1998: Gefälschte Autismus-Studie
Die angesehene medizinische Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlichte 1998 eine Studie, die einen Zusammenhang zwischen der Masern-Mumps-Röteln-Impfung und Autismus suggerierte. Die Arbeit von Andrew Wakefield wurde Jahre später als Betrug entlarvt und von der Zeitschrift zurückgezogen, weitere Studien fanden keinerlei Kausalität zwischen Impfung und Autismus.
Impfgegner beziehen sich jedoch bis heute auf die gefälschte Studie. Die MMR-Impfquote geht zurück, die Zahl der Masern-Toten steigt. 2019 waren es weltweit 207'500 Tote (meist Kinder) – 50 Prozent mehr als 2016.
2020: Verschwörungstheorien zur Polio-Impfung
In Afrika ist die Kinderlähmung dank der Impfung seit August 2020 ausgerottet. In Pakistan und Afghanistan grassiert die Krankheit weiter, die bei Kindern zu Lähmungen und zum Tod führen kann. Viele Menschen dort glauben Verschwörungstheorien, wonach der Westen durch die Polio-Impfung muslimische Kinder unfruchtbar machen wolle.
Nebenwirkungen
Covid-Impfstoffe können in sehr seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen hervorrufen. Diese Nebenwirkungen sind aber fast immer sehr gut behandelbar und das Risiko ist ca. 1000x kleiner, als die Risiken, die eine Covid-19 Erkrankung bei Nicht-Geimpften nach sich ziehen kann.
Als eines von vielen Beispielen sei hier die Herzmuskel- resp. Herzbeutelentzündung genannt
Eine neue Studie aus den USA hat nach Fällen von Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) und Herzbeutelentzündungen (Perikarditis) bei rund zwei Millionen gegen Covid-19 Geimpften gesucht.
Es gab 20 Fälle von Myokarditis vor allem bei jungen und 37 Fälle von Perikarditis bei eher älteren Männern. Keiner starb, alle heilten innert 3-4 Wochen, keiner hatte bleibende Schäden.
Das heisst auf 2 Millionen Geimpfte traten gerade mal 57 Fälle auf.
Impfungen machen generell keine Langzeitschäden. Denn im Gegensatz zu Medikamenten, die ich teilweise täglich oder zumindest immer wieder einnehmen muss; ist die Verabreichung einer Impfung nur 2-3x notwendig und nach einer gewissen Zeit evt. 1x eine Auffrischimpfung.
Das heisst Nebenwirkungen treten innert Stunden oder wenigen Tagen nach der Verabreichung auf.
Bei einem Medikament, welches ich dauernd einnehmen muss, weiss ich erst nach 5 Jahren, was die 5-Jahres-Nebenwirkungen sind oder nach 10 Jahren die 10-Jahres-Nebenwirkungen.
Liebe Mitmenschen, liebe Urnerinnen und Urner lasst euch baldmöglichst impfen. Es verhindert bei Euch selbst eine möglicherweise schlimm verlaufende Krankheit mit eventuellen Langzeitschäden (Long-Covid); obwohl der Impfschutz nicht 100% ist, verläuft zumindest die Krankheit weniger schlimm als bei Ungeimpften.
Nur mit der Impfung kehrt wieder Normalität in unser Leben ein.
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