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Auch 2021 unterliegt Covid-19 nicht dem politischen Wunschdenken

DMZ –  GESUNDHEIT / POLITIK ¦ Dirk Specht ¦

KOMMENTAR

 

Zeit für Klartext.

"Kein Lockdown mehr". "Keine Schulschließungen". "Kinder sind nicht betroffen". "Die Infektionen bei Kindern verlaufen meist harmlos". "Schulschließungen sind folgenreicher".

Aussagen von Wahlkämpfern aller Parteien. Aussagen von im Amt befindlichen Verantwortlichen aller Parteien. Aussagen von Kinderärzten. Aussagen von Funktionären aus Kultusministerien und Verbänden.

 

Wir unterwerfen Covid-19 also erneut unserer politischen Willensbildung oder unserer jeweiligen Interessenlage. Interessanter Versuch, für den sprachliche Synonyme irgendwo im Spektrum von "Dummheit" bis "Vorsatz" zu suchen sind.

 

Hinweis eines Mathematikers an viele Mediziner: Ihr habt keine Ahnung von Zahlen, Daten und Statistiken. Lasst es! Hinweis an Politiker: Ihr seid mal wieder dabei, eure operative Verantwortung zu versäumen und ein fatales "wünsch dir was Bingo" zu veranstalten.

 

Klartext, Teil 1: Wir sind erneut dabei, die Kontrolle zu verlieren. Die gemeldeten Daten zeigen mal wieder statistische Formationen, die einfach nur stinken! Die Inzidenzen zeigen sogar in der 7-Tage Glättung eine niemals reale Hakenformation, zugleich entfernt sich die Testmenge von der Fallmenge nach unten, die Positivrate steigt steil. Das unter politischer Verantwortung aller Parteien in den Ländern agierende "Pandemiemanagement" schaltet rechtzeitig vor dem Herbst erneut auf Blindbetrieb.

 

Klartext, Teil 2: Die Debatte über den Schulbetrieb offenbart leider, dass wir feststellen müssen: Es ist rein gar nichts unternommen worden, um insbesondere die Kinder in Schulen und Kitas zu schützen. Die größte zu erwartende Aufrichtigkeit der Politik besteht allenfalls darin, dass der eine oder andere mal Luftfilter im Konjunktiv anspricht. Eine längst mögliche Impfkampagne anzusprechen, hat keiner den Mut. Aktivitätsnachweis unseres Staates: Fehlanzeige.

 

Klartext, Teil 3: Die ignoranten Narrative unbedenklicher Infektionen bei Kindern von Medizinern diverser Herkunft sowie gerne aufgegriffen von Schulpolitikern reißen nicht ab. Zur Einordnung: Selbst in diesen Kreisen werden die in der Wissenschaft derzeit als Konsens gehandelte IFR von 0,001 sowie die LongCovid-Quote von 0,01 nicht bestritten. Wie von vielen Statistiklegasthenikern werden diese "niedrigen" Quoten sogar als Begründung für die Verharmlosung herangezogen - schließlich gibt es doch weitaus "gefährlichere" Krankheiten. Das ist DÄMLICH. Zur Berechnung des statistischen Risikos für die Bevölkerung sind diese relativen Einzelrisiken mit der zu erwartenden Fallzahl zu multiplizieren. Offensichtlich sind zu viele Sparhirne bereits mit einer Multiplikation überfordert. Die wesentliche Gefährlichkeit von Covid-19 ist die Infektiösität, nicht die Letalität. Gerade bei der Delta-Variante droht erkennbar als Maximalszenario bei ausbleibenden Gegenmaßnahmen tatsächlich die Durchseuchung der ungeimpften Bevölkerung plus bis zu 20% Impfdurchbrüche. Bei 10 Millionen Kindern liegen die Erwartungswerte bei 10.000 Sterbefällen und 100.000 schwereren Verläufen mit der unklaren LongCovid-Erkrankung. DAS sind die politisch relevanten Zahlen!

 

Klartext, Teil 4: Selbstverständlich wären Schulschließungen nach 1-1/2 Jahren Zeit für eine bessere Prävention von Hygienemaßnahmen bis zu Impfungen eine kaum akzeptable Niederlage. Aber statt leeren Willensbekundungen, diese zu vermeiden, ist ganz alleine eine Debatte maßgeblich, WIE das gelingen soll. Denn eines ist klar: Sollte sich das oben genannte Szenario abzeichnen, was bei uns übrigens aufgrund der Kapazität der Kinderkrankenhäuser bereits sehr rasch zu furchtbaren Konsequenzen führen würde, sind die Schulen schneller zu als wir uns das heute vorstellen können. Selbstverständlich wird unsere Gesellschaft dieses Szenario verhindern. Es wird niemals zu solchen Zahlen kommen, aber verantwortliche Politik verhindert das, bevor die Gesellschaft es erzwingt.

 

Klartext, Teil 5: Seit 1-1/2 Jahren haben wir den Luxus, dass die schlimmeren Szenarien sich in anderen Teilen der Welt zeigen, bevor wir damit konfrontiert werden. Offensichtlich ist es aber der politisch/gesellschaftliche Wille, jeden möglichen Fehler mit der höchst eigenen Nasenspitze zu berühren, um den Gestank tatsächlich auch hier festzustellen. Sieht man beispielsweise in die USA, so gibt es dort seitens der Kinderkrankenhäuser einen dramatischen Aufruf, zu handeln (Dank an Michael Wanhoff für die Quelle). Böse gesagt: An Triage bei Kindern haben die Krankenhausmediziner keinen gesteigerten Bedarf. Was sich dort in Kliniken bereits abspielt, kann man sich hier (https://www.nytimes.com/.../27/us/children-covid-delta.html)anschauen und ja, ich hänge einen Screenshot ganz bewusst zur sachgerechten und angemessenen Emotionalisierung an diesen Beitrag.

Die NYT fasst die darauf folgende Debatte recht gut zusammen. Natürlich trifft diese in den USA ebenfalls auf eine kaum vorbereitete Organisation, das Land ist nicht besser aufgestellt. Aber wenigstens dominieren dort konstruktive Vorschläge für den kommenden Schulbetrieb die Agenda. Eine Maskenpflicht wird wegen der bereits erkennbaren Wirklichkeit in den Kinderkrankenhäusern nicht mehr diskutiert, es geht vielmehr um weitere Hygienkonzepte sowie selbstverständlich die Impfungen

Nur zur Prävention gegen präventionsparadoxe kommende hochintelligente Hinweise, ich hätte doch 10.000 tote Kinder "prognostiziert": Es spricht nach wie vor einiges dafür, dass auch die immer noch zu niedrige Impfquote seitens der Inzidenzen eine Dämpfung der Pandemie erreicht und dass dies die Durchseuchung der Ungeimpften als Worst-Case verhindert. Das ist aber nur ein Hoffnungswert, verantwortliche Politik kann das nicht als Grundlage nehmen. Denn eines ist klar: Wenn sich dieses Szenario doch abzeichnet, wird es nur deshalb nicht eintreten, weil die Mehrheit der Gesellschaft reagiert. Es ist aber nicht deren Aufgabe, die Folgen politischen Versagens zu begrenzen. Zumal der Staat über die möglichen und erforderlichen Mittel längst verfügt: Hygienkonzepte, Raumkonzepte, Impfkampagne und 2G - dann ist das Thema keines mehr und man kann der Bevölkerung versichern, dass Schließungen nicht mehr erforderlich sind.

 

Leider sind das aufgrund der Untätigkeit in vielen Bereichen, genauso hohle Phrasen wie vor einem Jahr.

 


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