DMZ – SOZIALES ¦ Patricia Jungo ¦
In vielen Fällen berufen sich die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) auf Gutachten. Es ist derweil nicht klar geregelt, wer befugt ist, diese zu erstellen und es kommt immer mehr Widerstand dagegen auf.
Es ist vorgekommen, dass die Behörden ein Kind schon frühmorgens bei der Mutter abholen. Es soll künftig woanders wohnen. Ein Junge wird aus der Sportstunde geholt und von Polizisten vor den Augen der eingeschüchterten Mitschüler weggebracht. In beiden Fällen begründen die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden dies mit dem Gutachten des umstrittenen Berner Fachpsychologen und Institutsleiters Daniel Gutschner. Von seinen „Hauruckempfehlungen“ in Obhutsstreitigkeiten und einem ruppigen Umgang mit manchen Klienten ist auch in den Medien zu lesen. Damit hat er sich schon mehrere Beschwerden eingefangen und einige davon sind beim Psychologenverband FSP noch hängig.
Der Fall Gutschner ist auch der Politik zu Ohren gekommen und im Mai 2019 wurde vom Aargauer GLP-Grossrat Sander Mallien eine Interpellation eingereicht. Er verlangte darin Auskunft zum Gutachterwesen und kritisierte auch den Gutachter Gutschner. Mallien schreibt dazu, dass eigentlich Gutachten formal nur Empfehlungen gleich kämen und es sich meist um Momentanaufnahmen handle. Die Praxis zeige aber, dass ihnen eine hohe Bedeutung zukäme, da die Behörden den Empfehlungen der Fachleute in vielen Fällen Folge leisteten. Gutachten könnten jedoch gravierende Konsequenzen für die Betroffenen haben. Auch fehle jegliche Regelung, wenn es um die Frage gehe, wer denn die formalen und qualitativen Anforderungen an einen Gutachter erfülle. Weder kantonal noch national sei dies geregelt. Sander Mallien betont, dass es vor allem im Kinder- und Erwachsenenschutz je nach Fragestellung grundlegend wäre, neben psychiatrisch-psychologischen Gesichtspunkten auch sozialarbeiterische und pädagogische Aspekte einzubeziehen.
Auch das „Vieraugenprinzip“ wäre beim Festlegen von derart weitreichenden Empfehlungen wie Fremdplatzierungen sicher zu prüfen. Die gestern vom Regierungsrat veröffentlichte Antwort dazu zeigt, dass dieser dafür kein Gehör hat. Er erwartet von den interdisziplinär zusammengesetzten Kesb, dass diese den Sachverhalt aus allen Blickwinkeln evaluieren und ihre Entscheidung stets auf eine umfassende Analyse stützen würden. So prüften die Kesb entsprechend ebenfalls von ihnen selber eingeholte Gutachten. Dies bezweifelt Interpellant Mallien jedoch. Für ihn fehlt es den Kesb schlicht an Kapazität, um die umfangreichen Gutachten ihrerseits zu prüfen. Was den in die Kritik geratenen Psychologen Daniel Gutschner betrifft, bezieht sich der Regierungsrat auf die Knappheit der Gutachter im Kanton Aargau im Bereich des Familienrechts. (Die Aargauer Bezirksgerichte hatten bei Gutschner in den letzten fünf Jahren im Gesamten 31 Gutachten bestellt.)
Auch in anderen Kantonen bestehe diese Knappheit. Daher bleibe den Gerichten keine andere Wahl, als auf ausserkantonale Anbieter auszuweichen. So der Regierungsrat. Er sieht auch keinen Anlass, an der Qualität von Gutachten von Gutschners Institut generell zu zweifeln. Der Regierungsrat verweist auch auf die Tatsache, dass der rechtliche Spielraum im Familienrecht auf kantonaler Ebene gering sei. Die Antworten des Regierungsrats sind grösstenteils genau von einer Antwort des Bundesrates übernommen, die auf einen Vorstoss im Nationalrat; mit demselben Wortlaut wie die Interpellation des Aargauer Grossrats Mallien, folgte.
Im Dezember war der Zürcher SP-Nationalrat Daniel Frei mit dem fast gleichen Text an den Bundesrat gelangt. Die Antwort war ebenfalls abschlägig. Frei doppelte darauf mit einer Motion nach. Darüber wird im Parlament noch beraten. Der Bundesrat heisst auch diese Motion nicht gut. Er vertritt die Meinung, die Kesb müssten fähig sein, die Qualität der Gutachten einzuschätzen und die richtigen Entscheidungen daraus abzuleiten. Damit lässt sich der SP-Nationalrat jedoch nicht überzeugen. Er betont, er habe schon selber festgestellt, dass die Kesb kaum die Kapazität hätten dazu und auch die Gutachten methodische Kriterien an eine solche Arbeit nicht durchgehend erfüllten.
Mallien hat früher selber als Einzelrichter geamtet und kennt die Wichtigkeit der Gutachten genauestens. Daher ist es für ihn klar, dass Kriterien für Gutachter definiert werden müssen. Was den Gutachter Gutschner betrifft, sagt Mallien, er finde es doch irritierend, dass dieser unter den Fachtitelträgern der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtspsychologie nicht aufgeführt sei, obwohl er selber seit Jahren Mitglied sei. Man könne sich die Frage stellen, ob Gutschner sich zu Recht Fachpsychologe für Rechtspsychologie FSP nenne. Der Aargauer GLP-Grossrat verspricht, das Thema weiter zu verfolgen.
Quelle: Freiburger Nachrichten
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Jenal (Montag, 29 November 2021 20:53)
Die Mütter wurden gewzungen, für Gutachten zu zahlen und gleichzeitig auch die Kinder deportiert bekommen