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Schweizer Marken in der Pandemie – Pranger oder Podest?

Dr. Christine Wichert ist Deutsch-Schweizer Doppelbürgerin, verbrachte die 1. Welle in Taiwan, doziert Markenführung an der Hochschule Luzern und berät Firmen zu strategischer Markenführung
Dr. Christine Wichert ist Deutsch-Schweizer Doppelbürgerin, verbrachte die 1. Welle in Taiwan, doziert Markenführung an der Hochschule Luzern und berät Firmen zu strategischer Markenführung

DMZ – GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ Dr. Christine Wichert  

KOMMENTAR

 

Normalität, wie schön wäre die jetzt! Auch wenn es mittlerweile mehrere hochwirksame Impfstoffe gibt, so steht eine Rückkunft zu derselben in den Sternen. Zu hohe Fallzahlen in der Schweiz, zu viele kursierende Mutanten, zu langsamer Impffortschritt und auch zu wenig Disziplin bei handelnden Akteuren. Vier wesentliche Stakeholdergruppen beeinflussen, wie günstig die Pandemie bezüglich der gesundheitlichen wie auch der wirtschaftlichen Folgen verläuft und alle haben dabei einen Ruf zu verlieren

  1. Verwaltung und Organe von Bund & Kantonen mit der Aufgabe, das Volk in einer Pandemie gesundheitlich zu schützen

  2. Bürgerinnen und Bürger mit der viel beschworenen Eigenverantwortung

  3. Unternehmen mit ihren mächtigen Verbänden, die Kunden, MitarbeiterInnen und auch Aktionäre schützen

  4. Medien, die informieren, aufklären und kritisieren.

An anderer Stelle Muss die Schweiz sich neu erfinden? - DIE MITTELLÄNDISCHE ZEITUNG - FÜR MEHR DURCHBLICK (mittellaendische.ch) habe ich bereits das Agieren von Bund, Kantonen und Behörden bezüglich des Effekts auf die Nationenmarke Schweiz beleuchtet und gefragt, warum jene oft wissenschaftliche Ratschläge ignorieren und damit die Pandemie verschlimmern und verlängern. Über Bürger und Bürgerinnen, die sich z.B. aufklärend oder als Twitter-Aktivisten engagieren, um die Pandemie zu verkürzen und solche, die z.B. mit illegalen Partys oder maskenfreien Demonstrationen die Pandemie verlängern, wurde ausgiebig medial berichtet. Was aber ist mit der Privatwirtschaft, wie verhalten sich Unternehmens-, Verbands- und Medienmarken in dieser Pandemie?

 

Wer ist Teil der Lösung, wer Teil des Problems?

Es geht hier um die Frage, welche Schweizer Marken durch ihr Verhalten die Pandemie (versehentlich?) beschleunigen und welche sie bremsen helfen – was unweigerlich einen Einfluss darauf haben dürfte, wie sich die Reputation und damit der wirtschaftliche Erfolg dieser Marke entwickelt. Wie gross dieser Einfluss ist, wurde noch nicht untersucht. Es darf jedoch davon ausgegangen werden, dass Marken, die Ihre Kunden und Mitarbeiter in dieser Pandemie gesundheitlich schützen, als sympathischer, nachhaltiger, vertrauenswürdiger wahrgenommen werden. Damit stärken sie ihren Ruf inkl. dem als Wunsch-Arbeitgeber, was wiederum finanzielle Vorteile und leichtere Rekrutierung von Wunschkandidaten mit sich bringt. Disclaimer: Die folgende Aufzählung hat aufgrund der Unmöglichkeit vollumfassend zu recherchieren Thesencharakter und beschreibt eine Momentaufnahme genannter Marken – schön wäre es, wenn Sie in der Kommentarfunktion Ihre Erlebnisse beitragen.

 

Was wäre von den Akteuren zu erwarten? Gesundheitswohl = Wirtschaftswohl

Wer sich Normalität herbeisehnt, wer mittel- bis langfristig unternehmerisch denkt, wird sich für niedrige Infektionszahlen bzw. sogar einen paneuropäischen No Covid Ansatz aussprechen und Infektionen vermeiden helfen. Dies, weil Neuinfektionen unweigerlich zu höheren Hospitalisierungsraten, Todesraten und Langzeiterkrankungen durch Long Covid führen. Länder mit niedrigen Fallzahlen und früher Eindämmung stehen empirisch nachweislich auch wirtschaftlich besser da. Was gesundheitlich schützt, hilft auch der Wirtschaft – genau so, wie es auch die Ökonomen unserer Schweizer wissenschaftlichen Taskforce skizzieren: «Tiefe Fallzahlen minimieren nicht nur die Zahl der Toten und Kranken (man denke auch an Long Covid), sondern auch die wirtschaftlichen Schäden» Prof. Dr. Monika Bütler. So wuchs Taiwan aufgrund maximaler Prävention trotz ursprünglich 8 täglicher Flugverbindungen nach Wuhan sogar im Pandemiejahr 2020, hat eine BIP Prognose von 5% für 2021 und bei dreimal so vielen Einwohnern wie die Schweiz nur 10 Tote zu beklagen.

 

Dieser Punkt von Frau Bütler ist zentral: die Wirtschaft schützt, was die Menschen schützt. Auch ohne empirische Studien durchforstet zu haben ist es sachlogisch für jeden nachvollziehbar, dass die Wirtschaft floriert, wenn sich Menschen sicher fühlen: sie reisen, gehen auswärts essen und shoppen. Und selbst wer diese Überlegung nicht macht, könnte als Privatperson merken, dass nicht wenige Menschen sich zurückziehen und nicht konsumieren, dass internationale Touristen wegbleiben wenn die Fallzahlen hoch sind, dass manche Mitarbeiter lieber im Homeoffice bleiben oder langfristige Long Covid Beschwerden haben oder gar verstorben sind.

 

Es wäre deshalb unternehmerisch zu erwarten, dass eine Marke die Menschen, seien es Kunden oder Mitarbeiter in der Pandemie schützen möchte - dass sie nicht nur klug und weitsichtig, sondern auch gleichzeitig fürsorglich agieren möchte. Nur diese Orientierung am Menschen kann den wirtschaftlichen Erfolg einer Marke nachhaltig sicherstellen. Schauen wir genauer hin: bestehen wichtige Schweizer Marken in der Pandemie wirklich?

 

1. Wirtschaftsverbände als Pandemietreiber

Economiesuisse beharrt auf Eigenverantwortung und möglichst wenige Eingriffe des Staats, fordert grundsätzlich und häufig Öffnungen - am liebsten unabhängig von der epidemiologischen Lage – und lobbyierte selbst gegen die einfachste, aber effektive Massnahme, die Maskentragepflicht. Weshalb eine exportorientierte Lobbyorganisation nur kurzfristige Erfolge im Auge hat und selbst nach einem Jahr nicht versteht, dass frühe Massnahmen kostengünstiger und gesundheitsschonender sind als späte, erschliesst sich nicht und verlängert die Pandemie leider. Es mag mit einer nicht pandemietauglichen Interpretation des Freiheitsbegriffs zu tun haben. Freiheit im Sinne von Selbstbestimmung seiner eigenen Handlungen steht in dieser Pandemie im Spannungsfeld mit der Sicherheit, nicht nur für sich selbst sondern auch Dritter. genau bei der potenziellen Schädigung Dritter befindet sich die Grenze der eigenen Freiheit, weshalb es nicht gestattet sein sollte, diese zu überschreiten. Eigentlich einfach nachvollziehbar, in der Praxis jedoch diffizil. Wir alle wünschen uns Freiheit und Freiheit muss auch das mittelfristige Ziel sein, das es durch eine zumindest weitgehende Verdrängung des Virus gibt – es ist jedoch Ziel, und nicht Mittel, dies zu erreichen.

 

Dass internationale Meta-Studien empirisch belegen, dass es u.a. in Läden durchaus zu Ansteckungen kommt, wird genauso ignoriert wie von Hotelleriesuisse & Gastrosuisse die Tatsache, dass in Restaurants aufgrund von Aerosolen ein Schutzkonzept niemals funktionieren kann, solange es keine Lüftungsanlagen mit HEPA-Filtern, offenen Quer-Fenstern und weit auseinander stehenden Tischen gibt. Dann noch besonders trickreich das Essen in Hotelrestaurants zu erlauben, wenn andere Restaurants ganz offensichtlich auch von den Behörden als Virenschleudern anerkannt sind, ist fahrlässig und kurzsichtig. Man muss darauf hoffen, dass nicht herausgefunden wird wo sich die Infizierten angesteckt haben, denn dann würde man sicherlich kein loyaler Gast. Auch die «Beizen für Büezer» kommen mit einer Öffnungszeit bis 22Uhr wohl weniger den Büezern entgegen, als dass es Nicht-Büezern eine Möglichkeit der Verköstigung gibt. Zu ihrer Ehrenrettung sei darauf hingewiesen, dass trotz erdrückender Nachweise über die Gefahr der Aerosole in Innenräumen das BAG bis heute daran festhält, dass diese keine grössere Rolle bei Übertragungen spielen und sich die Verbände einfach daranhalten – obwohl sie es besser wissen müssten. «Nasenpimmel» tragende Funktionäre und Wirte, eng beieinandersitzende Gäste zeugen in SRF Dokus und Artikeln davon, dass man das Virus bei vielen Mitgliedern des Verbands nicht sonderlich ernst nimmt, was die Pandemie leider verlängert. Sicherlich wäre es zielführender für den Verband, umfangreiche Entschädigungen für die Mitglieder zu fordern, als durch kurzsichtige Schlitzohrigkeit das Virus zu verbreiten. Vom Schweizerischen Arbeitgeberverband hörte man wenig, bis sein Präsident kürzlich forderte, bis zu 30.000 Infektionen täglich (!) zu tolerieren, nachdem die Risikogruppen geimpft seien. Dies zeugt nicht nur von gravierenden Informationslücken über Anzahl und Schwere von Long Covid Langzeitschäden, Hospitalisierungsgrad und Risiken von neuen Mutationen. Schlimmer noch, diese Aussage machte Arbeitgebern klar, die eigentlich ein Interesse an gesunden, leistungsfähigen Mitarbeitern, Versicherten und Touristen haben sollten, dass der eigene Verband kurzsichtig und respektlos der eigenen Belegschaft gegenüber argumentiert. Der Schweizerische Versicherungsverband hält sich unerwartet zurück, dabei sind sie u.a. für Krankenversicherung und Prävention zuständig und will zukunftsorientierte Lösungen bieten. Unter «was uns bewegt» auf seiner Homepage findet die Pandemie leider nicht statt. Dies erscheint unverständlich, werden die Hunderttausende Schweizer Long Covid Patienten die Krankenkassen doch neben den akut hospitalisierten Versicherten doch viel Geld kosten, bis sie in die staatlich finanzierte IV übernommen werden. Sie hätten also grosses wirtschaftliches Interesse, die Pandemie u.a. durch aktive Kommunikation bzw. der Berechnung von Low- und No Covid Szenarien einzudämmen. Der Schweizer Tourismusverband ist neben Schweiz Tourismus mehrheitlich privatwirtschaftlich besetzt, hat damit einen Einfluss auf Hotels, Gastronomie, Destinationsmarken, Seilbahnbetriebe, Tourismusschulen, etc. Leider wird auch hier aktiv auf Öffnungen gedrängt, um kurzfristige Gewinne zu erzielen. Dass hohe Infektionszahlen das WEF verdrängten und Corona-Ausbrüche insbes. mit der hochinfektiösen britischen Variante in Verbier, Wengen, St. Moritz etc. nicht nur kurzfristig Touristen aus anderen Ländern abschrecken könnten, die in ihrer Anzahl und ihrer Ausgabefreudigkeit noch wichtiger sein könnten als die Schweizerinnen und Schweizer, darüber wird offenbar nicht nachgedacht. Die Wahl des Urlaubslandes wird zukünftig auch nach gesundheitlichen Sicherheitsaspekten entschieden, nicht nur nach grandioser Natur und anderen Kriterien, die bislang für die Schweiz sprachen. Es ist ein Irrglaube zu meinen, der Grossteil der Kunden wollten primär Freiheiten, es ist die Freiheit in Sicherheit, die sich die meisten Menschen ersehnen.

 

2. Unternehmensmarken mal am Pranger, mal auf dem Podest

Kommen wir zu den Corporate Brands, den Unternehmensmarken. Sie haben viele Möglichkeiten, sowohl ihre Marke bei den Kunden als auch ihre Arbeitgebermarke bei heutigen und zukünftigen Mitarbeitern zu stärken, indem sie beide Gruppen nachhaltig vor Ansteckungen schützen und damit die Pandemie verkürzen helfen. Schauen wir uns einzelne Vertreter dreier ausgewählter Branchen an: Mobilität, Detailhandel und Gesundheit. Erstere, weil die meisten von uns sie zwingend brauchen und die Gesundheitsbranche, weil es inhaltlich naheliegt, dass diese die Pandemie bremsen helfen würde.

Bei den Marken, die mit Mobilität zu tun haben, gibt es leider wenige Lichtblicke: Im Flughafen Zürich wird kein Abstand eingefordert, die Mitarbeiter, die die Warteschlangen vor dem Check-In kontrollieren setzen die Maskenpflicht nicht um, Informationstafeln sind klein, Desinfektionsmittel fehlt, Durchsagen sind im internationalen Vergleich selten. Strenge Einreisekontrollen, vorgeschriebene PCR-Tests aus Risikogebieten werden oft gar nicht kontrolliert. Dabei macht es u.a. Spanien vor, setzt z.B. QR-Codes und Wärmebildkameras ein. Die SBB schafft es nicht wie z.B. Italien, 50% der Plätze freizuhalten, oder die bundesrechtlich vorgeschriebene Maskenpflicht durchzusetzen, obwohl sie in anderen Fällen durchaus «polizeiliche Aufgaben» übernehmen kann. Oft fahren die Züge gar verkürzt, wie mitten in der 2. Welle, was Infektionsrisiken erhöht. Man wundert sich, dass Essen und Trinken nach wie vor erlaubt ist, obwohl dies ein Aerosol produzierender Vorgang ist, der Infektionen begünstigt – im erfolgreichen Taiwan war dies bei einer wochenlangen 7-Tagesinzidenz von Null (!) verboten. Schlimmer noch, sie lobbyierte sogar gegen die Homeoffice-Pflicht, weil Umsätze ihnen offensichtlich wichtiger sind als die Sicherheit der Kunden. Den laut Mitarbeitern angeblich erhöhten Krankenstand beim fahrenden Personal mag entweder Angst der Mitarbeiter oder erhöhte Ansteckungen widerspiegeln. Die Swiss schenkt den Kunden zwar Flexibilität bei Buchungen, aber sicherheitstechnisch war sie lange Zeit lax unterwegs und gefährdete damit Flugreisende und ihr eigenes Personal. Erst Anfang Juli 2020 rang sie sich als eine der letzten Airlines zur Maskenpflicht durch und kommuniziert den Passagieren dies beinahe entschuldigend, das sei so von den Behörden gefordert. Während andere Airlines auf einen Essenservice auf vielen Strecken verzichten, darf bei der Swiss gegessen werden, getrunken, obwohl dies z.B. zeitlich versetztes Essen in zwei Gruppen bestimmt sicherer zu organisieren wäre. Die Genossenschaftsmarke Mobility überzeugt hingegen mit einem wirklich durchdachten, sehr konkreten Schutzkonzept bzw. zusätzlich empfohlenen Schutzmöglichkeiten für ihre Mieter. Sie gewährte Rabatte in der ersten Welle sowie Langfristmietrabatte bei Partner Hertz, ermöglicht einen temporären Umstieg auf sicheren Individualverkehr und verkürzt damit die Pandemie.

 

Die klassischen Detaillisten Migros, Denner und insbesondere Coop haben diverse Shitstorms in dieser Pandemie hinter sich. Beispiele sind in Migros-Läden die einsame und oft leere, verschämt in die Ecke gestellte, angeseilte Flasche Desinfektionsmittel. Bei Denner sind es oft Nasenpimmel-Masken tragende Mitarbeiter, die bei der Bitte sie korrekt aufzuziehen schon mal pampig werden. Grundsätzlich waren die lange maskenlosen Kassenmitarbeiter hinter Plexiglas vor Aerosolen ungeschützt. Coop scheint sich eher dafür zu interessieren, den schnellen Franken umzusetzen, als Belegschaft und Kunden zu schützen, denn viel Kunden laufen maskenlos durch die Läden. Die Mitarbeiter dürfen diese angeblich jedoch nicht zum Maskentragen auffordern oder aus dem Laden verbannen im Sinne von «No mask, no service». Am Ostersamstag strafte die Twittergemeinde Coop ab, weil das Kundenzählsystem bei proppenvollen Läden wiederholt ausfiel. Mehrere User wollen gesehen haben, dass das Personal es einfach ausstelle, wenn es zu lange rot anzeige – Umsatz vor Gesundheit, leider pandemieverlängernd. Dies passt leider zu den Corona-Ausbrüchen in der Coop Grossbäckerei, bei denen allerlei Missstände, wie eine späte Maskenpflicht erst Mitte Oktober 2020, ungenügende Quarantäne sowie schlechte Vorgesetzteninformation gemeldet wurden. Als Arbeitgebermarke hat Coop damit deutlich gelitten. Die Detaillisten Aldi Suisse und Lidl überzeugen öfters, wenngleich nicht überall, mit umgesetztem Schutz. Aldi Suisse desinfiziert die Wägen, hat Hygienestationen, bietet Einweghandschuhe und führte als erster Schweizer Detaillist bereits im April 2020 ein Kundenzählsystem ein, das auch funktioniert. Darüber hinaus gab es sehr früh spottbillige Hygienemasken zu kaufen. Lidl bot diese Woche die besonders schützenden FFP2 Masken für 49 Rappen an und machte sie damit für jeden erschwinglich.

 

Es sollte in der Natur von Gesundheitsmarken liegen, einen positiven Beitrag in der Pandemie zu leisten. Umso absurder mutet an, dass die renommierte Schweizer Privatklinikmarke Hirslanden die Pandemie laut Mitarbeitern zunächst «ignorierte» und seine Mitarbeiter – und damit auch Kunden/Patienten - weder ausführlich informierte noch schützte. Das Vorsorgeprinzip wäre für eine Gesundheitsorganisation besonders naheliegend anzuwenden. Die anfängliche Herausforderung mag dies noch erklären, jedoch nicht, weshalb laut Hirslanden zum 1. März die Homeoffice Pflicht auf eine Empfehlung abgeschwächt werden sollte, die Restaurant-Aussenbereiche wieder geöffnet werden sollten und darüber hinaus, das Turbo-Öffnungspapier des Arbeitgeberverbands mit bis zu 30.000 Infektionen pro Tag unterschrieben wurde. Dagegen schaffen es zwei international ausgerichtete Schweizer Marken aufs pandemische Markenpodest: Lonza hätte gerne den grössten Beitrag zur Pandemieverkürzung geleistet, in dem sie dem Bund bereits im Frühjahr 2020 den Bau einer eigenen Impfstrasse für den Moderna Wirkstoff anbot. Sie wäre damit zur absoluten Heldenmarke der Schweiz in der Pandemie geworden, hätte der Bund nicht kurzsichtig das finanzielle Risiko von 10 CHF pro Schweizer Einwohner als zu hoch erachtet. Stark auch, dass sie den Verschleierungsversuchen des Gesundheitsministers widerstand, den Skandal transparent machte und nach wie vor die Möglichkeit eines solchen Baus ermöglicht – was uns für Auffrischungsimpfungen und weitere Pandemien helfen wird. Bei Novartis hat Sicherheit oberste Priorität. Die Firma schützt Mitarbeiter u.a. durch proaktive Kommunikation, hat sehr früh Homeoffice angeordnet und gibt die Wahlfreiheit, wo gearbeitet wird, stellt alles zur Verfügung, was im Homeoffice benötigt wird. Darüber hinaus hielt sie Preise für Medikamente stabil, die bei einer Covid-Erkrankung helfen können, hat einen weltweiten Hilfsfond aufgelegt, weil die Pandemie nur global gelöst wird. Insgesamt eine löbliche Unternehmensmarke, die insbesondere als Arbeitgebermarke in der Pandemie gestärkt wird und Pandemie verkürzen hilft.

 

3. Mehrheit der Medienmarken am pandemischen Pranger

Bleiben die Medienprodukte, denen während der Pandemie zumindest bei den öffentlich-rechtlichen Produkten die klassische Rolle als 4. Gewalt zukommt. Faktisch über Gefahren informieren, kritisch hinterfragen, insbesondere den Kurs der staatlichen Institutionen, welche die Rahmenbedingungen für möglichst geringe Verluste während der Pandemie setzen. Auffallend ist, dass die meisten Schweizer Medien der Pandemie und ihrer aktiven Bewältigung durch die Darstellung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bzw. der Wirkzusammenhänge von Massnahmen deutlich weniger redaktionellen Platz und ganz offensichtlich interne Recherche-Kapazität einräumen als Medien im EU-Ausland. Dies, obgleich es sich um eine Jahrhundertpandemie handelt und die epidemiologische Lage der Schweiz nicht besser ist, sondern während der 2. Welle gar besonders verheerend war. Kein Benchmarking über Länder, die es gut machen, keine Analyse der Erfolgsfaktoren, sondern Ausreden, weshalb man sich nicht vergleichen könne («Insel», «keine Demokratie», «nicht so dicht besiedelt», etc.). Kein analytischer Vergleich von unterschiedlichen Strategien: Eindämmung, Mitigation, Low Covid und No Covid, die uns allen am effizientesten eine Quasi-Normalität zurückgeben würden. Die Symptome der hohen Fallzahlen werden beschrieben, statt die Ursachen für tiefere Fallzahlen breiter zu beleuchten. Inhaltlich scheinen sie – mit wenigen Ausnahmen – den Pandemie verlängernden Massnahmen-Kritikern und Rebellen mehr Platz und auch Verständnis zu schenken als der stillen Mehrheit rücksichtsvoller Massnahmen-Befürworter. Die Tonalität ist häufig schrill gegen Massnahmen, übertrieben, wenn von einem Schweizer Lockdown geredet wird (den wir nie hatten), verharmlosend bis hin zum Schweigen über essenzielle Themen. Sei es z.B. die Infektiosität von Kindern, Schulen als Hotspots, Aerosole als Hauptübertragungsweg der Infektionen. Der aktuelle 3-Phasen-Plan des BAG mit massiven Öffnungen, wenn auch nur die stärksten Risikopatienten geimpft sind, sollte ein Aufschrei der Medien begleiten, werden doch so hohe Infektionszahlen und grosses gesundheitliches Leid unter Jüngeren und insbesondere Kindern zugelassen. Medial wird dies jedoch hauptsächlich auf Twitter diskutiert und es braucht massive Hashtag-Trends, um überhaupt von Medien aufgenommen zu werden. Das gesundheitliche Leid wird nüchtern mit Zahlen und Indikatoren anonymisiert, die Leidenden, Trauernden, Verstorbenen bekommen selten ein Gesicht. Doch die monetären Aspekte der Pandemie bekommen Geschichten, von überlasteten Apothekern, armen Restaurantbesitzern bis hin zu stark geforderten Krematoriumsmitarbeitern.

 

Schauen wir uns einige Medien-Markenbeispiele an.

 

Das SRF fokussiert sich in seiner Talkshow Arena auf monetäre Aspekte der Pandemie, Moderator Sandro Brotz hakt bei schlichtweg falschen oder gar menschenverachtenden Aussagen selten nach. Absurde Diktaturvorwürfe und die leidende Jugend bekommen Sendungen, während von vielen immer wieder vergeblich eine Arena für Risikogruppen oder Angehörige von Verstorbenen gefordert wird, die mehr Rücksicht bei anderen auslösen könnte. Plexiglastrennwände beeindrucken die Aerosole nicht, Teilnehmer in Talkshows werden anders als bei deutschen Studios laut Teilnehmern auch nicht systematisch vorher getestet – was sie aktiv Risiken aussetzt. In der Tagesschau die potenziell katastrophalen Forderungen des Schweizer Arbeitgeberverbands als «Balanceakt» zu bezeichnen, hat mit sachlicher, ausgewogener Berichterstattung ebenfalls nichts zu tun. Eine Vorbildfunktion der Öffentlich-rechtlichen würde wohl anders aussehen. Beim Blick, der auflagenstärksten Volkszeitung hatte man im Sommer 2020 über lange Zeit das Gefühl die Pandemie gäbe es überhaupt nicht mehr, suchte man doch vergeblich etwas in den Top10 Beiträgen. Allein die Art, wie Masken systematisch visualisiert werden – oft falsch getragen, z.B. unter der Nase oder gar am Kinn, im Dreck am Boden liegend oder mit defekten Bügeln, legt höchste Verachtung für dieses nahe und hat sicherlich dazu beigetragen, dass sich die Schweizer im europäischen Vergleich unglaublich schwer tun mit Masken. Das, was die Redakteure damit herbeisehnen, die Normalität, wird dadurch in weitere Ferne gerückt. Länder mit hohen Fallzahlen, aber pro Kopf niedrigeren Inzidenzen als der Schweiz (z.B. USA, D) wurden gebasht, ohne zu begreifen, dass absolute Zahlen in Relation zur Bevölkerung gesetzt werden sollte. Damit ergab sich für Viele der trügerische Eindruck, die Schweiz mache es gut in dieser Pandemie. Corona-Rebellen erhalten viel Verständnis und Massnahmen-Schlupflöcher viel Platz, Party-Reisen in Hochrisikogebiete wie Tansania werden dargestellt, Öffnungen immer wieder herbeigefordert, wissenschaftlich umstrittene Randpositionen der Durchseuchung wurden immer wieder als gleichwertig dargestellt. Damit trägt der Blick aktiv leider zur Pandemie-Verlängerung bei. Wenn man das bei einem Boulevardblatt noch wenig überraschend findet, so verwundert die Haltung der NZZ. Einst eine der renommiertesten Tageszeitungen der Welt, drehte sich die anfänglich gewohnt sachlich-kritische Berichterstattung komplett ins Unwissenschaftliche, Absurde, Respektlose. Massnahmen-Freunde wurden als Hysteriker bezeichnet, NoLiestal-Aktivisten als mutlos dargestellt, weil sie maskenlosen Massen-Demonstrationen, in denen die Polizei nicht für Einhaltung der Schutzregeln sorgt, vorbeugen möchten. «Mutig» hingegen sollte der Kanton Zürich sein und mitten in die 2. Welle hinein weiter lockern. Das Unaufgeregte, scharf sezierend Analytische, Unpolemische, was ihr einst Weltruhm einbrachte, ist unwissenschaftlichem Populismus gewichen. Dies hilft weder die Pandemie zu verkürzen noch den lang anhaltenden Auflagenschwund der einstigen Grande Dame zu begrenzen. Ganz anders der Lichtblick der privaten Online-Zeitung Republik. Sie ist ihrer Vorsicht waltenden Linie treu geblieben und konsequent kritisch, was den umstrittenen Kurs des Bundes in dieser Pandemie anbelangt. Sie bzw. ihr Redakteur Daniel Binswanger beleuchtet interessante und nicht nur epidemiologische und medizinische Aspekte der Pandemie, kritisiert offen und konstruktiv in Talkshows. Die Republik versorgte interessierte Leser dazu kostenlos mit einem täglichen Covid-Newsletter - von daher einer der wenigen hilfreichen Lichtblicke in dieser Pandemie, die mit einem steilen Auflagenwachstum und dem raschen Erreichen der Gewinnschwelle belohnt wurde.

 

Was machen Marken am Pranger falsch?

 

Die Schweiz braucht ein Korrektiv

Durch die Beleuchtung der Marken entstand die Hypothese, dass internationale und ausländische Unternehmensmarken bisweilen präventiver agieren und die Schweizer Bürgerinnen und Bürger besser schützen als viele Schweizer Marken. US-Marken wie Apple und McDonalds, die ihre Läden vorübergehend schlossen bzw. strengere Massnahmen erliessen als der Bund, oder die Tech-Riesen Google und Microsoft, die bezüglich Homeoffice weitaus grosszügiger waren als andere Schweizer IT-Firmen, erhärten diesen Eindruck. Die EU war empört über die offenen Skigebiete der Schweiz und führte damit zumindest zu strengeren Schutzkonzepten im Sinne eines kleinen Korrektivs, konnte dadurch die vielen Ausbrüche der Skigebietshotels nicht verhindern. Bei Medien informieren sich viele Menschen, die sich mehr Schutz durch die Schweiz wünschen, eher in ausländischen Titeln über Wirkzusammenhänge und die effektive Einschätzung der Schweizer Lage in Berichten über die Schweiz. Sie hören gerne den Drosten-Podcast statt Wissenschaftler, die innerhalb der Taskforce Widersprüchliches von sich geben bzw. mit einem Maulkorb zu kämpfen haben. Dies alles, um sich nicht durch verharmlosende Darstellung und stets mit erheblichem Zeitverzug kommunizierte oder nie formal akzeptierte wissenschaftliche Erkenntnisse (u.a. Kinder, Schulen, Aerosole…) vermittelnde Schweizer Medien einlullen zu lassen. International ausgerichtete Unternehmensmarken scheinen durch ihr globales Netzwerk besser informiert und durch kritische Berichterstattung anderer Länder diesem Korrektiv ausgesetzt und davon zu profitieren.

 

Wie könnten Marken sich selbst und uns allen helfen?

Wenn Unternehmensmarken und Verbände, sowie die Medien gemeinsam das Ziel verfolgten die Pandemie möglichst schnell zu beenden, näherten wir uns schneller einer angenehmeren neuen Normalität, in der wir in Bars gehen können wie Taiwan oder Geschäftstreffen haben wie in Vietnam. Ich wünsche mir Medien, die über den Schweizer Tellerrand hinausschauen auch unserer geliebten Schweiz gegenüber kritisch sind und keine Nabelschau betreiben. Die lernen wollen, was erfolgreiche Länder wie Taiwan und Neuseeland richtig gemacht haben, auch wenn es Inseln sind. Die aufzeigen, wo man sich warum infiziert und wie man sich ganz konkret schützen kann. Die wissenschaftliche Studien für Laien verständlich aufbereiten, z.B. warum Aerosole in Innenräumen so gefährlich sind– vielleicht auch gemeinsam mit Werbeagenturen, die helfen, Wissen schnell zu verankern. Die alle Generationen dazu motivieren, statt eigenverantwortlich jetzt solidarisch zu sein und durchzuhalten bis alle Impfwilligen geimpft sind. Und erklären warum es dann immer noch sinnvoll sein wird, einige Schutzmassnahmen aufrecht zu erhalten. Die sich grundsätzlich fragen, was man auf die Schweiz übertragen kann, wie etwas gehen könnte, die per se lösungsorientiert denken. Die ganz konkreten Tipps geben, wie man sich schützen kann, z.B. warum eine Ferienwohnung viel sicherer ist als ein Hotel.

 

Es gäbe lange SBB-Züge mit neuen HEPA-Filtern, bei denen die FFP2-Maskenpflicht streng kontrolliert würde und man – vorher erklärt warum - aufs Essen verzichten würde. Arbeitgebermarken würden allen Mitarbeitern, die nicht zwingend vor Ort sein müssen, Homeoffice ermöglichen und bei Präsenz Lüftungsanlagen und CO2 Messgeräte zur Verfügung stellen. Sie würden einen Freibetrag bereitstellen, um Fahrräder und Ebikes oder vergünstigte Mobility Abos zu erwerben, um den Anfahrtsweg sicherer zu machen. Die Arbeitgeber würden ihre Belegschaft regelmässig via Selbsttests testen lassen und der Firmenarzt auch dieser würde auf Wunsch auch impfen. Spitalmarken wie Hirslanden würden eine Vorreiterrolle übernehmen, würden ihre Mitarbeiter und Patienten maximal schützen, indem sie u.a. ein Impfobligatorium für ihre Angestellten hätten. Und so vieles mehr!

 

Die Frage drängt – wann schaffen es die Schweizer Marken in ihrem eigenen Interesse zukünftig aufs Podest?


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