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Verschwörungstheoretiker, Impfgegner und Deutschlands führende Homöopathie-Organisation verbreiten Falschaussagen

DMZ – WISSENSCHAFT ¦ Anton Aeberhard ¦

KOMMENTAR

 

Seit März 2020 rechnen Coronaleugner die Zahl der Todesopfer durch Covid-19 herunter, behaupten, dass diese Menschen ohnehin gestorben wären. Geht es aber um Impfungen, klingen die Behauptungen ganz anders und einzelne Menschen, die versterben und bereits geimpft waren, werden nun als "Opfer" der Impfung dargestellt. Dies wie immer in solchen Kreisen ohne entsprechende Belege. So soll bewiesen werden, dass die Impfungen gegen das Virus, das es nicht gibt, tödliche Nebenwirkung hätten. Der Auftakt der Corona-Impfungen wird von einer Welle an Desinformation begleitet. Falsche Fotos und Gerüchte über angebliche Spätfolgen werden verbreitet. Die üblichen „Experten“ stehen „natürlich“ wieder in der ersten Reihe. Einige Menschen lassen sich dadurch leider auch verunsichern.

 

Wieder sind es umstrittene Ärzte und Wissenschaftler, die Verschwörungsmythen über die neuen Corona-Impfstoffe verbreiten. Es sind die selben, die seit Monaten behaupten, dass es sich bei der Pandemie nur um eine „Plandemie“ handle. So wird z.B. behauptet, dass die Impfstoffe etwa das Erbgut verändern würden oder Frauen unfruchtbar machen. Dass das jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt, ist ihnen natürlich auch diesmal egal. Das gleiche Milieu, das trotz Tausender Toter die Gefahren des Corona-Virus herunterspielt, beschwört jetzt die Schrecken kommender Impfungen.

 

Verschwörungsmythen der Impfgegner

Nicht nur Verschwörungstheoretiker und Impfgegner verbreiten Falschaussagen über Covid-19, sondern auch Deutschlands führende Homöopathie-Organisation, die Hahnemann-Gesellschaft. Sämtliche Corona-„Informationen“ auf der Website dieser Gesellschaft sind mehr als fragwürdig.

Auch wenn seit Jahrzehnten bewiesen ist, dass Homöopathie nicht wirkt, informiert die Hahnemann-Gesellschaft Interessierte in ihrem „Corona Newsticker“ darüber, wie die Homöopathie auch bei schweren Covid-19-Verläufen helfen kann. Bis heute existiert weder ein formaler, reproduzierbarer Nachweis noch eine akzeptable naturwissenschaftliche Begründung für eine Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel, die über den Placebo-Effekt hinausgeht. Von der wissenschaftlichen Medizin wird die Homöopathie daher als pharmakologisch wirkungslose, in einigen Fällen sogar riskante Behandlung abgelehnt. Der Homöopathie wird diesbezüglich vorgeworfen, nicht in angemessener Weise auf diese Befunde zu reagieren. Es fehle an Systematizität. Homöopathie wird deshalb als Pseudowissenschaft angesehen.

 

„Die Homöopathie-Bewegung ist ja grundsätzlich skeptisch gegenüber der direkten Intervention in den Körper, das ist sozusagen medizinisch-technisch.“

Urban Wiesing, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Tübingen

 

In den verschiedenen Inhalten dieses Corona-Tickers der Hahnemann-Gesellschaft werden Behauptungen aufgestellt, die einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten können. Unter der Überschrift „wir werden zunehmend ‚immunkompetent‘ für das neuartige Coronavirus“ steht beispielsweise, dass die Schutzmassnahmen zur Eindämmung des Virus wirkungslos seien und dass Impfungen unnötig seien, da sich Infektionsgeschehen selbst limitieren.

 

„Wenn Sie jede Infektionskrankheit ihren natürlichen Verlauf nehmen lassen, dann sterben eben ein paar Leute und ein paar Menschen haben irreversible Langzeitschäden. Wenn das etwas ist, was man gern in Kauf nehmen möchte, kann man das tun. Natürlich können Sie eine Lungenentzündung auch ohne Antibiotika überleben. Aber ein grosser Teil wird eben auch versterben oder vielleicht schwere Schäden an der Lunge haben. Das ist, glaube ich, einfach eine Entscheidung gewesen, die die meisten individuell dann doch für sich treffen, dass sie lieber nicht versterben oder lieber keine schweren Organschäden davon tragen. Von daher ist diese Aussage ganz, ganz stark verkürzt.“

Leif-Erik Sander, der an der Berliner Charité eine Arbeitsgruppe zur Impfstoffentwicklung

 

Falsche Behauptungen

Eine jede Pandemie beendet sich von selbst, die läuft irgendwann aus.

Ja, das tut sie auch, das ist völlig richtig, spätestens wenn alle Menschen gestorben sind, gibt es sowieso keine Pandemie mehr. Natürlich hört die irgendwann auf, die Frage ist nur, wie viele Menschen sterben bis dahin und wie viele Menschen können wir bis dahin retten.

 

Symptomlose können niemanden anstecken. Doch!

Ob sich Menschen bei einer Infektion mit homöopathischen oder schulmedizinischen Heilmitteln behandeln lassen wollen, ist eine Entscheidung, die jede und jeder für sich selbst treffen kann. Bedenklich sind jedoch Aussagen, die Menschen dazu bringen, sich leichtsinnig zu verhalten und andere anzustecken. So wird im Newsticker der Hahnemann-Gesellschaft beispielsweise behauptet, dass symptomlose Menschen nicht ansteckend seien. Das ist schlichtweg eine Falschaussage.

 

Noch einmal Bhakdi

Während diverse Corona-Impfstoffe bereits im Einsatz sind, werden immer wieder Behauptungen über Nebenwirkungen aufgestellt. Sogar schon bevor überhaupt geimpft wurde. So auch vom deutschen Mikrobiologen Sucharit Bhakdi. Es wäre wohl überraschender gewesen, wenn nichts von dieser Seite gekommen wäre. Bhakdi war bisher ein vehementer Impfbefürworter, was seinen Jüngern nicht gefallen dürfte. Allerdings findet er bei Corona überhaupt nicht die selbe Vehemenz wie bei der Grippe, der Vogel- und Schweinegrippe. Er spricht von "Nebenwirkungen, die recht schwer sind. „Das sind junge, gesunde Menschen gewesen, und die Hälfte hat Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen." behauptet er in einer umstrittenen TV-Show. Bhakdi spricht von einem "genbasierten Impfstoff, der in England zugelassen wurde und in Europa demnächst zugelassen werden sollte. Damit bezog er sich offenkundig auf den Corona-Impfstoff der Firmen Biontech und Pfizer. „Wenn man hingeht und älteren Menschen, die vorerkrankt sind, mit solchem Impfstoff impft, dann möchte ich nicht wissen, was passiert."

 

Bhakdi nennt wie immer keine Quellen. Das ist ja stets schwierig, wenn es keine gibt. Unklar ist auch, worauf Bhakdi seine Behauptungen damals stützte, denn die Impfungen in Grossbritannien begannen erst zwei Tage nach der Talkshow.

Vier Tage nach der Talkshow mit Bhakdi erschien ein Fachartikel mit detaillierteren Ergebnissen der Tests im "New England Journal of Medicine". Aus diesem geht hervor, dass Fieber nach der zweiten von zwei Impfdosen tatsächlich nur bei 16 Prozent der jüngeren (zwischen 16 und 55 Jahren) und bei 11 Prozent der älteren (älter als 55 Jahre) Studienteilnehmer auftrat. Auch Muskelschmerzen traten viel weniger auf, als von Bhakdi behauptet.

 

Falsche Aussage von Bhakdi

Falsch ist zudem Bhakdis Aussage, dass es keine Studienteilnehmer mit Vorerkrankungen gab. Diese waren, wie die Wissenschaftler schreiben, zugelassen und entwickelten auch eine Immunität gegen das Virus. Daten zur Sicherheit des Impfstoffs sollen weiter geprüft werden, wie Biontech und Pfizer schreiben.

Obwohl sich Wissenschaftssendungen momentan bemühen, Menschen mit wissenschaftlichen Fakten zu versorgen und ihre Zweifel auszuräumen, haben diverse Foren von Impfgegnern weiterhin starken Zulauf. Gerade bei digital verbreiteten Verschwörungsideologien wird oft jede Faktenäusserung an sich relativiert und mit vermeintlichen Gegenargumenten konfrontiert. Was bleibt, ist eine permanente Haltung des Misstrauens.

 

Ausgerechnet in einer Zeit, in der sich die Politik stark auf die Expertise von Wissenschaftlern verlässt und die Medien kaum ein anderes Thema behandeln, halten sich Gerüchte und Falschinformationen über Impfungen und die Gefährlichkeit von Sars-CoV-2 hartnäckig.

Es ist gut, dass man skeptisch ist und man darf auch kritisch sein, man darf Wissenschaft hinterfragen, aber wenn es eine Gruppe von Menschen gibt, die steif und fest behauptet: Mit dem Impfstoff werde ein Chip in den Körper eingeführt, damit Bill Gates oder sonst irgendjemand gucken kann, wie ich laufe und was ich so den ganzen Tag tue, und man mit Argumenten da nicht mehr ankommt, sind wir an einem sehr, sehr schwierigen Punkt angelangt.  


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