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Das Ifo-Panel und seine medialen Wege

DMZ –  POLITIK ¦ Dirk Specht ¦              

KOMMENTAR

 

Das sogenannte „Ifo-Ökonomenpanel“ wird bereits in der FAZ „selektiv“ kommentiert

 und prompt in den Sozialen Medien entsprechend noch mehr verdreht. Die typischen Sprechblasen, Ampel-Bashing, Grünen-Bashing, Energiepolitik-Bashing, Strompreis-Bashing, Kernkraft-Verstrahlung. Vorhersehbare „Interpretationen“ in den gängigen Echokammern, lauter strunzdumme weitere „siehste“-Postings.

 

Zunächst ist anzumerken, dass es sich hierbei keineswegs um ein wissenschaftliches Format, sondern um ein Medienprodukt im Auftrag der FAZ handelt. Unter wissenschaftlichen Kriterien wäre das keiner Veröffentlichung würdig. Methodisch mag man so etwas wie ein „Experten-Interview“ vermuten, welches wegen der Streuung der Ergebnisse als gescheitert zu bewerten wäre.

 

Aus meiner persönlichen Sicht schadet das Ifo der Reputation der Ökonomie damit, denn es wird letztlich einmal mehr dokumentiert, dass Ökonomie nichts definiertes ist, sondern ein Spektrum an sehr unterschiedlichen Denkrichtungen, um nicht Meinungen zu sagen. Der Nobelpreisträger Krugman beschrieb das lakonisch mal so: Ökonomie ist eine Wissenschaft, in der jemand einen Nobelpreis dafür erhalten kann, dass er das Gegenteil eines früheren Nobelpreises herausgefunden hat.

 

Ganz so ein Durcheinander ist es aber nicht, Ökonomen können sich durchaus methodisch sauber über eine Sachfrage austauschen und dabei einen gut begründeten engeren Ergebnis-Korridor erzeugen. Das geht aber nicht mit so einer unterkomplexen Befragung mittels vorgegeber Meta-Fragen, für die Schulnoten zu vergeben sind. So kann man die Meinung von Verbrauchern zu einem neuen Parfum herausfinden, aber keine „Standort-Analyse“ machen oder gar den Stand „der Ökonomie“ dokumentieren.

 

Allenfalls könnte man die sehr eindeutig verteilten Antworten so etwas wie „diskutieren“. Da kommt aber schlicht wenig überraschendes und ganz genau keinerlei neue Erkenntnis heraus, was natürlich für eine mediale Nutzung ziemlich unschön ist.

 

Beginnen wir mit der Habenseite, die derzeit komplett untergeht: So etwas wie politische Stabilität und ein (noch) hohes Bildungsniveau gelten schon immer als Vorteile des Standorts – das darf man auch mal erwähnen und sollte sich für den Erhalt dieser Punkte verstärkt einsetzen, da beides (!) keine Selbstverständlichkeit (mehr) ist. Das kann man übrigens an dem gesellschaftlich/politischen und intellektuellem Umgang mit eben diesem Ergebnis durchaus erkennen, denn diese dumme und dreiste Kakophonie über die momentan agierenden politischen Institutionen sind weder ein Nachweis besonderer politischer Kultur, noch von so etwas wie Bildung.

 

Wer jetzt wieder mit dem „Zensur“-Vorwurf kommt, der leider auch zur Unkultur wird, dem sei gesagt: Regierungskritik gehört explizit zur politischen Kultur und zu den Standortvorteilen, sie ist also stets angezeigt, unverzichtbar, notwendig. Hinzufügen ist: Die stereotype Wiederholung falscher Tatsachenbehauptungen ist keine Kritik, nicht mal eine Meinung.

Kommen wir zur Negativseite, die natürlich derzeit alleine thematisiert wird, fällt beispielsweise auf, dass sich eine Mehrheit kritisch zu Infrastruktur und Digitalisierung äußert.

 

Dazu schreiben FAZ et al. aber gar nichts. Sehen wir hier ein weiteres Thema von Schuldenbremse versus Investitionen – um nur einen Aspekt zu nennen?

 

Interessant ist auch die Nennung von Lohnnebenkosten im Unterschied zu den ausgeglichener bewerteten Steuern. Auch das geht komplett unter, denn es adressiert vollkommen klar die Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme – ein Tabu-Thema für schlicht alle Parteien. Die hingegen stereotyp politisierte Frage der Steuerbelastung ist demnach keineswegs so klar. Aber vermutlich verstehen die meisten, die sich öffentlich für die eine oder andere Meinung einsetzen den Unterschied nicht mal.

 

Die größte Eindeutigkeit kommt beim Klassiker „Bürokratie“. Auch das wird aber kaum noch erwähnt, obwohl es seit Jahrzehnten bei Unternehmern und Ökonomen stets ganz oben – oder unten – auf den jeweiligen Listen steht. Haben wir uns gar daran gewöhnt und halten es nicht mehr für erwähnenswert? Wird es nicht politisch und auch gesellschaftlich priorisiert, weil man es parteipolitisch oder für die gesellschaftlichen Lager nicht so klar nutzen kann? Fatal, denn es ist tatsächlich der höchste Belastungsfaktor für unseren Standort!

 

Das momentane mediale Rennpferd, das fast in allen Bewertungen dieser „Analyse“ wesentliches Thema ist, wird hier mit „Energie und Rohstoffe“ zusammengefasst. Wir erfahren also, dass eine klare Mehrheit der Ökonomen hier Standortnachteile sieht. Warum das Ifo es nicht geschafft hat, dieses aktuelle Hypethema etwas zu differenzieren, wissen wohl nur die Autoren selbst. In der Form ist auch das natürlich nichts neues, denn der Mangel an eigenen Rohstoffen – inklusive der Energierohstoffe – ist bekanntlich bereits Otto von Bismarck klar geworden.

 

Da das so aber stehen bleibt und nicht hinterfragt wird, lässt sich schnell das Thema der Strompreise und Energiewende als ganz fürchterlicher – komplett neuer – Standortnachteil weiter drehen. Wer sich in der Praxis hingegen ein wenig mit Unternehmen und deren Energieversorgung beschäftigt, weiß, dass seitens der Energiepreise vor allem Gas das große Thema ist. Insbesondere dann, wenn man die auf zu hohen Strompreisen sitzenden Unternehmen auf den eigenen Beratungsrückstand hinweist.

 

Aber was soll’s, das Land der politischen Kultur und besonderen Bildung hat sich bekanntlich 2023 entschieden, besonders viele Gasheizungen zu installieren und die effizienten Wärmepumpen ausgerechnet mit vielen Hinweis auf „Physik“ verschmäht. Nehmen wir diesen teuren und in der Beschaffung sehr komplexen Rohstoff also der Industrie weg, um Wasser zu erwärmen. Zugleich aber unbedingt über Energiepolitik moppern und methodisch unterkomplexe Ifo-Befragungen dafür weiter drehen.

 

Anstrengend!


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