„Grübeln“ – Problemlösung oder Ablenkungsmanöver?

DMZ – GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ Patricia Jungo ¦

 

Viele Menschen suchen mit intensivem Grübeln und Nachdenken die Lösung für Probleme. Dieser Weg ist nicht der einzige und wohl auch nicht immer der gute; oft finden wir die wahre Lösung in unserer Gefühlswelt. Wer kennt es nicht, das Gedankenkarussell, das sich abends beim Zubettgehen ganz ungefragt in Gang setzt?

 

Leider ist der Knopf, um es wieder anzuhalten, oft nicht mehr zu finden und erholsamer Schlaf ist in weiter Ferne. Grübeln ist nachts ganz schrecklich, aber auch tagsüber sind wir oft nicht davon verschont. Beginnt man zu grübeln, will man für ein Problem die optimale Lösung finden; dies ist ja grundsätzlich eine positive Absicht. Wer aber denkt, er könne mit Nachdenken der Lösung für jedes Problem auf die Spur kommen, befindet sich auf dem falschen Weg.

 

Meist kommt die Lösung so gar nicht und man muss also weiter grübeln. Wenn das Grübeln an sich zum Selbstzweck wird und sich nicht mehr verändert, was man denkt, sondern wie man es tut, wird das angestrengte Nachdenken zur Belastung und nicht zur gewünschten Entlastung. Die Gedankenspiralen machen sich selbstständig, sind höchst aufdringlich und wollen die ganze Aufmerksamkeit. Diese gilt also dann den Gedanken und nicht mehr dem, was man soeben tun wollte. Schenkt man diversen Studien Glauben, soll Grübeln Probleme schaffen und nicht lösen, was auch die Gesundheit negativ beeinflussen kann. Unangenehme Gefühle wie Angst oder Traurigkeit sind nicht nur Auslöser, sondern auch Folge des ständigen Grübelns.

 

Auch Konzentrations- und Problemlösefähigkeit leiden. Es scheint, als würde man eher Entscheidungen treffen, die einen doch nicht zufriedenstellen und auch noch das Risiko bergen, psychisch krank zu machen. Was hält uns denn davon ab, dem ständigen Grübeln Einhalt zu gebieten? Der Psychotherapeut Andreas Knuf hat sich mit dem Thema Dauergrübeln eingehend befasst. Wie er gegenüber dem Onlinemagazin Perspective Daily erklärt, ist die Flucht in die Gedanken einer der meist angewendeten Tricks, um sich vor der Wahrnehmung von Gefühlen zu schützen. Grübeln scheint also ein Ablenkungsmanöver zu sein. Grübelt man beispielsweise über seine finanzielle Situation oder ob man im Alter genug zum Leben haben wird, will man oft nicht erkennen, dass sich dahinter einfach die Angst vor dem Älterwerden verstecken kann. Dies zeigt laut Knuf auch genau, warum Grübeln keine Hilfe ist, um Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Wird nur auf der kognitiven Ebene gearbeitet, kann ein emotionales Thema nicht verarbeitet werden. Es kommen so Handlungen raus, die rasch erlahmen und kraftlos werden.

 

Die wahre Motivation kommt aus den Gefühlen. Knuf will damit Folgendes sagen: Gibt man bestimmten Dingen eine emotionale Verbindung und ordnet man ihnen einen Wert zu, kann man gute Entscheidungen treffen. Der Versuch durch Grübeln zur besten Entscheidung zu kommen, ist wohl ein Versuch die Kontrolle zu behalten und unangenehmen Gefühlen auszuweichen. Menschen halten Gefühle von Unsicherheit und Ohnmacht nur schlecht aus. So Andreas Knuf.

Wie kann man also diese zerstörerischen Gedankenmonster verjagen? Man kann ja das Denken meist nicht einfach so abschalten. Das Ziel ist, die Gedanken in gesündere Bahnen zu lenken. Dabei sollen laut Knuf die Grübelgedanken nicht verurteilt, sondern einfach auch angenommen werden. Lenkt man den Fokus dann aber auf den Augenblick, schafft man auch Platz für Gefühle.

 

Dies gelingt oft nicht einfach auf Knopfdruck. Eigene Gedanken wertungsfrei anzunehmen und Gefühle hochkommen zu lassen, ist oft nicht gerade sehr angenehm. Achtsamkeitstraining ist eben ein langwieriger Prozess, mit dem man aber nachweislich mehr Ruhe im Kopf gewinnen kann. Für Knuf gibt es verschiedene Strategien, die helfen können. Die eine ist das Umformulieren der Gedanken: Fragt man sich, was man fühlt, was man gerade braucht und möchte, ist man achtsamer mit sich selber. Auf diese Weise kann man die sich drehenden Gedanken in die Gegenwart und auf die Gefühle zu lenken. Eine weitere Methode gegen das chronische Grübeln ist Schreiben. So unterstützen schon einfache Tagebucheinträge beim Abladen quälender Gedanken oder erlauben einen Perspektivenwechsel. Das sogenannte expressive Schreiben hat positive gesundheitliche Effekte, welche auch belegt wurden: Verbesserung des Wohlbefindens, niedrigerer Blutdruck und weniger Grübeln. Beim reflektierten Schreiben wird nicht das aufgeschrieben, was man schon weiss, sondern man erfährt sich während des Schreibens selbst. Schreiben ist auch immer wieder gute Möglichkeit, auch einmal einen Punkt hinter etwas zu setzen.

 

 

Quellen: doppelpunkt.ch ¦ higgs.ch


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